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«Siehe, das Lamm Gottes!»

«Und ich sah mitten zwischen dem Thron mit den vier Wesen und den Ältesten ein Lamm stehen wie geschlachtet ... Und es kam und nahm das Buch aus der Rechten dessen, der auf dem Throne sass.»
Offenbarung 5, 6

Die Bibel spricht oft in Gottesbildern, welche in biblischer Zeit – anders als heute – durch Szenen des Alltags verständlich waren. Dazu gehört das Bild von Christus als Lamm Gottes, das in der Apokalypse eine zentrale Rolle spielt.
Das 4. Kapitel schildert, wie der Seher Johannes in den Himmel entrückt wird und dort die Welt Gottes erblickt. In der Rechten dessen, der auf dem Thron sitzt, wird ein siebenfach versiegeltes Buch sichtbar, das Gottes Pläne mit dieser Welt enthält. Johannes weint, weil niemand würdig ist, das Buch zu öffnen.

Das Lamm ist würdig
Dann folgt eine der feierlichsten Szenen der Apokalypse. Johannes sieht im Zentrum seiner Vision «ein Lamm wie geschlachtet». Als das Lamm das versiegelte Buch aus der Rechten Gottes übernimmt, werfen sich alle himmlischen Mächte nieder und singen «das neue Lied», das die Heilsbedeutung des Lammes für die Zukunft preist. Alle Engel stimmen ein, auch «jedes Geschöpf im Himmel und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer». Fortan ist das Lamm in der Apokalypse das wichtigste Symbol für Jesus. Es eröffnet die Siegel und setzt so die jeweils siebenfachen Visionsreihen in Gang. In Bildern werden die Kräfte offenbar, die zwischen Himmel und Erde wirken und den Weg der Menschheit durch alle Anfechtung begleiten bis bin zur Auflösung des Kosmos, der Herabkunft des neuen Jerusalems, der Hochzeit des Lammes mit der Braut und der Wiederbringung des Paradieses in der neuen Schöpfung.

Das Lamm wie geschlachtet
Das Bild vom «Lamm wie geschlachtet», das die Geschicke des Schöpfungsplans im Dienste Gottes zum guten Ausgang bringt, deutet auf die erlösende Wirkung des Opfertodes Jesu. Im Urchristentum spielte es eine zentrale Rolle. Der Täufer sagt, wie er Jesus erstmals erblickt: «Siehe, das Lamm Gottes!» Paulus schreibt: «… denn als unser Passahlamm ist Christus geopfert worden.» Nach Petrus sind wir «von unserm nichtigen Wandel losgekauft worden mit dem kostbaren Blute Christi als eines untadeligen und unbefleckten Lammes», der zu diesem Werk schon «vor Grundlegung der Welt im Voraus ersehen war».
Die Vorherbestimmung Christi, durch sein Opfer den Geist Gottes in den Menschen wieder zu wecken und zu beleben, uns zu «Priestern und zu Königen für Gott» zu machen, zeigt auch das 5. Kapitel der Apokalypse. Dem Lamm wird das Weltenbuch anvertraut. Alle Kreaturen, hier noch im Himmel, erhalten Kenntnis davon. In ihrer Vorfreude stimmen sie ein in das neue Lied.
Diese Opfertheologie befremdet heute. Der Tod Jesu kann auch einfach als tragischer Justizirrtum gesehen werden.
Damals aber hat sich den Menschen das Bild vom «Lamm Gottes» aufgedrängt, um Jesu Mission verständlich zu machen. Seine Lehre, die Heilungen, die Gleichnisse, die Einsetzung des Abendmahls – dieses ganze Zeugnis blieb für die Urchristen nach dem gewaltsamen Tod Jesu mit seiner Person verbunden. Seine Hingabe bis in den Tod machten ihn und sein Zeugnis zu einer vom Himmel her wirksamen Kraft Gottes, welche von jeher dazu ersehen war, die Schöpfung durch Liebe zu verwandeln. Im Aufblick zu dieser Liebeskraft, die unsere Herzen ihr anverwandelt, bildete und bildet sich die Kirche mit ihrer Verkündigung, der Diakonie, den Ritualen, der Kunst usw.
Kann dieser neue Glaube prägnanter ausgedrückt werden als mit dem schlichten Satz des Täufers? – «Siehe, das Lamm Gottes!» Unser Herz kann das sehen.

Andreas Schwendener (Besinnung aus dem Kirchenbotem 2/2006 >>> zum Text im Kirchenboten )

Das Lamm Gottes - theologische Deutungsversuche

In der christlichen Theologie wie auch in der Glaubenspraxis spielt der Tod Jesu am Kreuz eine zentrale Rolle. Nur durch seinen Opfertod – prägnant ausgedrückt im Bild des Lammes, der häufigsten Bezeichnung für Jesus in der Johannesoffenbarung – kann Jesus zum Vollender des verheissenen Reiches werden. Wie ist das «Heil der Welt im Kreuzestod Jesu» denkbar? Die Deutung des Todes Jesu durch die frühen Gemeinden ist umstritten und wird nicht nur vom Islam abgelehnt, sondern auch von vielen liberalen Christen. Ich versuche hier, mir einige Deutungsweisen vor Augen zu halten und darüber nachzudenken.

Was und wie Jesus selber über die Wirkung und Bedeutung seines frühzeitigen und gewaltsamen Todes gedacht und wie weit er das auch im Gespräch mit seinen Jüngern thematisiert hat: Das können wir heute nicht mehr rekonstruieren. Was uns davon in den Evangelien überliefert ist, spiegelt den Glauben der ersten Christen an Jesus, den Messias. Von der Geburt, über seine Taufe, sein Reden und Wirken bis hin zum Tod am Kreuz, zu Auferstehung und Himmelfahrt – die Autoren der Heiligen Schrift sind in ihren Erinnerungen des Lebens Jesu wie auch im Nachdenken über seine bleibende Bedeutung für die Gemeinde grösstenteils im festen Glauben, dass erst der Tod am Kreuz das Heil für die Vielen möglich macht, dass Jesus durch Tod und Auferstehung zum Retter der Welt wird, zum Menschensohn, der für Gott das Reich vollenden wird, wie es  eindrücklich im «neuen Lied» der 24 Ältesten in Apokalypse 5, 9 heisst.
Der Seher Johannes ist entrückt vor den Thron Gottes, der Blick fällt auf das versiegelte Buch in der Hand dessen, der auf dem Thron sitzt. Niemand ist würdig, dieses Buch (der Weltgeschichte) zu entsiegeln. Johannes weint. Einer der Ältesten sagt zu ihm: «Weine nicht! Siehe, überwunden hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Wurzelsprochss Davids, und er kann das Buch und seine sieben Siegel öffnen.» Hier ist vom königlichen Messias aus Juda die Rede, vom Geschlecht Davids, auf dem die Verheissung einer ewigen Herrschaft liegt (2. Samuel 7). Der Träger dieser ewigen Herrschaft kommt hier in das Blickfeld des Johannes, er sieht «ein Lamm stehen wie geschlachtet», und von diesem Lamm singen die Ältesten dann: «Würdig bist du, das Buch zu nehmen und die Siegel zu öffnen, denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott durch dein Blut Menschen erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie für unsern Gott zu einem Königreich und zu Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.»
Jesu Tod am Kreuz wird hier zum universalen Heilsereignis schlechthin – was natürlich wiederum für den interreligiösen Dialog imperialistisch verstanden werden könnte, wenn es nicht gelingt, diese Tat in ihrer universalen und menschheitlichen Dimension zeitgmäss zu deuten. Übrigens findet sich das Symbol des Lames als Bild für Jesus Opfertod auch am Anfang des Johannesevangeliums: Als Johannes der Täufer Jesus zum ersten Mal kommen sieht, sagt er: «Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!»

So folgen nun hier einige Versuche, dieses zentrale Mysterium des christlichen Glaubens zu verstehen, es denkend zu umkreisen.

Der Archetyp der Lebenshingabe
Die Kraft der «Hingabe bis in den Tod» berührt tief Schichten im Menschen. Ich ahne hinter dem Motiv der Lebenshingabe einen Archetyp, ein Urbild, eine Ursehnsucht: Jemand will das Gute für uns und hat in diesem Bemühen so grosse Liebe, dass er sein Leben für diese Sache und für uns/mich hingibt.

Das Motiv ist im Alten Testament vorgebildet, vor allem in den Gottesknechtliedern des Jesaia: «Wenn er sein Leben zum Schuldopfer einsetzte, sollte er Nachkommen sehen und lange leben und die Sache des Herrn durch ihn glücken.» (Jesu 53, 10b) Zur Zeit Jesu waren die Martyrergeschichten rund um die Makkabäer bekannt. Söhne Israels haben im Aufstand gegen Rom ihr Leben hingegeben. Durch ihr Opfer soll das Kommen des Reiches beschleunigt werden. Der schiitische Islam verehrt seine Imame vor allem darum, weil sie als Martyrer starben. Moderne Beispiele, wo der gewaltsame Tod ein edles Anliegen verstärkt und bekannt gemacht hat, sind die Morde an Gandhi, Martin Luther King oder Bonhoeffer.  Je nach dem, wie uns das Anliegen eines Menschen, für das er getötet wird, selber überzeugt, desto mehr beeindruckt uns die kompromisslose Hingabe dieser Martyrer, desto mehr rührt uns der gewaltsame Tod, das Sterben für das Anliegen.

Jesu «Anliegen» konnte viele überzeugen, es hat eine grosse Verheissungstradition hinter sich: Gottes Wirken auf Erden, das Kommen seines Reiches.
Es war die historische Stunde, dass der Archetyp der Selbsthingabe seine optimale Konkretisierung finden konnte. Jesus konnte die jüdische Reichshoffnung so durchleben, dass sie universal, menschheitlich wird. Und Jesus muss von der Gunst dieser Stunde etwas geahnt haben. Die Zeit war reif, es war die letzte Zeit, die Endzeit für dieses Anliegen.
Durch Jesus ist es real und universal geworden.

Der Märtyrertod Jesu hat äusserlich auch eine «propagandistische» Funktion, er ist ein Faktum, das «Schlagzeilen» macht und das Evangelium potenziert. Wäre Jesus alt und weise geworden, hätte seine Mission kaum dieses Effektivität und Popularität erreicht. Er wäre ein Geheimtipp für Insider, für einen elitären Kreis geblieben, ein esoterischer Meister, dessen Lehre sich da und dort weiter verbreitet hätte.
In seinem Kreuzestod wurde seine Mysterienbotschaft auch personalisiert fassbar und verkündbar. Die Evangelien wurden auch schon «Kreuzigungsgeschichten mit Vorspann» genannt. Alles ist auf die Opfertat am Kreuz angelegt. Die Evangelien enden mit der Kreuzigung und der angedeuteten Auferstehung. Das ist Beweis genug, dass für die ersten Interpreten des Lebens Jesu die Kreuzigung eine zentrale Rolle spielt. Was dabei geschah, wie dieses Mysterium als Weltenkraft für die Zukunft der Welt bedeutsam wird, das ist in der Schrift nur bildhaft und in alten Metaphern ausgedrückt. Ob sich das auch aktuell neu denken lässt: die Kraft des Opfers bis in den Tod, welche der Welt Heil bringt?

 

Der Auferstandene als der kommende Menschensohn, der Retter aus dem Jenseits
Ich stell mir vor, dass Jesus um ein Leben nach dem Tod wusste, dass er dessen gewiss war, das sein Brennen für das Reich Gottes nicht durch die Vernichtung seines Leibes getilgt und ausgelöscht werden kann. Wenn dem so ist, nimm ich an, dass Jesus im Tod umso stärker brannte für sein Anliegen und dass die Seinen etwas von diesem Weiterbrennen verspürt haben.
Die Idee der Auferstehung lag in der Luft. Sie taucht nicht einfach mit dem Wunder der Auferstehung Jesu in der Welt auf. Die Auferstehung ist die letzte Konsequenz einer umfassenden Weltdeutung, die Sinn und Erfüllung schenkt. Diese Weltdeutung, wonach aus der Demütigung eine Heilung, aus dem Gebrechen eine Verherrlichung und aus der alten Schöpfung eine neue Schöpfung möglich wird, haben die Propheten voraus geschaut und vorformuliert. Diese Trostworte waren die Hits der religiösen Suche im damaligen Judentum, auch für Jesus. Er muss sie gekannt und sein ganzes Herz daran gehängt haben. Vor allem die Verkündigung eines kommenden Menschensohnes, wie ihn der Prophet Daniel als Vollender des Gottesreiches beschreibt, muss es Jesus angetan haben. Mit diesen Bildern, Texten und Worten konnte er prophetisch von seinem künftigen Werk sprechen, wobei dabei offen bleibt, ob er sich selber mit dem kommenden Menschensohn identifiziert hat und wieweit er in dieser damals kollektiv empfundenen Konnotation über den Tod hinaus wirksam werden könnte.
Das Konzept des Opfertodes ist daher nur sinnvoll auf dem Hintergrund der Reichshoffnung und der Auferstehung. Dieser Tod, den Jesus in Gethsemane mit seinemVater vereinbart hat, soll Leben für Viele hervorbringen. So kann der Auferstandenen bei uns sein bis ans Ende der Welt.

 

Gott opfert seinen Sohn
Ein traditionsreicher Gedanke ist die Deutung des Todes Jesus als Opfer. Gott opfert seinen Sohn, sein Liebstes und Höchstes, um sich so mit den Menschen zu versöhnen. Das Motiv hat im Opferkult Israels seine Wurzeln, einerseits im Passahlamm und andererseits im «Sündenbock», dem am Versöhnungstag stellvertretend für Israel die Sünden des Volkes aufgeladen wurden, damit er sie in die Wüste hinaus trage.
Dieser Opfergedanke wurde auf den Tod Jesu übertragen. Gott überbrückt im Tod Jesu die Kluft, welche die Sünde Adams geschlagen hat. So wird Gottes Ferne, sein Zorn, überwunden – durch das Blut seines Sohnes, das Jesus für uns hingab. Im Abendmahl wird dieser Gedanke zentral bis in die Gegenwart im christlichen Sakrament vollzogen. Weitere Opfer sind nicht mehr nötig, weil in diesem abschliessenden und höchsten Opfer das alte Opferwesen vollendet und überboten worden ist durch Gott selbst. Im Abendmahl wird Leib und Blut Christi nicht neu geopfert, sondern die Opferkraft der Selbsthingabe Jesus erinnert und angenommen. Höchsten findet dabei eine Opferung im Empfänger der Gaben Brot und Wein statt, indem er so durch die Verbundenheit mit Jesu Opfer dem Anliegen Jesus, dem Reich Gottes, Raum schaff in seinem Leben. Darin wird das Menschheitsanliegen vom Kommen Gottes und der Überwindung des Todes erhört und verwirklicht.

Wie aber ist nun dieses universale Wirksamkeit eines Opfertodes vorstellbar? Warum soll Gott in der Kreuzigung, im schmachvollen Tod seines besten Gesandten, sich mit uns solidarisieren, uns nahe kommen, sich uns endgültig offenbaren in tiefster Liebe und Fülle und so die Ursünde, den Bruch zwischen Gott und den Menschen, aufheben?

 

Der Tod Jesus als das Ende des Gesetzes und der Anfang der Freiheit
Ich selber habe oft den Gedankten der Treue verfolgt. Er war treu und gehorsam bis in den Tod, d.h. Jesus hat keine Kompromisse, keine Täuschungsmanöver toleriert. Er hat vor der Obrigkeit das Evangelium seines Vaters vertreten ohne Rücksicht auf Konventionen und Traditionen. Diese Gottunmittelbarkeit hat die Welt nicht ertragen und darum die Provokation aus der Welt geschafft. Das Gesetz ist nicht fähig, die neue Dimension in Jesus zu fassen. Das Gesetz führt sich ad absurdum, indem es den tötet, der selber das Gesetz in Freiheit und im Menschenmass ist, bringt und offenbart. Jeder, der nun mit Jesus stirbt und mit ihm lebt, ist hinein genommen, hineingeboren in diese Freiheit vom Gesetz. Er handelt aus der unmittelbaren Gottesnähe in Freiheit und Liebe. Auch das ist eine Deutungsgeschichte, eine metaphorische Sicht auf den Kreuzestod, wie sie vor allem Paulus in seinen Briefen immer wieder andeutet.
Ist die Botschaft vom Kreuz das Zentrum, so muss im Kreuz auch das neue Leben, die Erfüllung, offenbar sein. Das ist die Christusmystik des Paulus: Sterben mit Christus und mit ihm auch auferstehen. Christus in mir. Das ist die subjektive Deutung der Passionsgeschichte mit Auferstehungsbericht. Da ist ein Pendeln zwischen Nachvollzug der Christusgeschichte und der eigenen Mysteriengeschichte, Tod und Auferstehung im hier und jetzt.
Mit Christus sterben und alles loslassen: all nichtige Eitelkeit, alles eigene Machen und Bauen des ewigen Lebens, das zum Scheitern verurteilt ist. Denn er hat es für uns getan. Daran kann ich anschiessen, als Getaufter, Konfirmierter, primär aber als Glaubender.

Gott kommt uns im Gekreuzigten näher
Eine andere, heute oft vertretene Deutung besagt, dass im Sterben Jesus das Göttliche tief in die Bereich des Vergänglichen, ja des Todes hinabkommt und uns Nachgeborenen daher im eigenen Leiden und Sterben nahe ist. Jesus habe quasi mit seinem Sterben am Kreuz die Gegenwart Gottes tiefer in die Erde, in die Menschenwelt hereingeholt. Durch sein gewaltsames Sterben in der Blüte seines Lebens hat er die in ihm wohnende Kraft Gottes, die Sohnschaft, der Erdgeschichte und dem Menschengeschlecht eingeprägt. Gott ist durch dieses Opfer den Menschen näher gekommen, er hat – wie es die Fundamentalisten naiv ausdrücken – die Brücke zu den Menschenkindern geschlagen. Nur durch den Sohn kann man zu Gott gelangen, weil er in seinem Opfer der Göttlichkeit des Menschen eine Bahn gebrochen hat.
Die alte Kirche hat das noch mythologischer ausgemalt. Für sie hatte das Übel, die Trennung von Gott, einen Namen. Es ist die Sünde, die von der Schlage, vom Satan, herkommt. Wenn Jesus nun dem Menschen durch sein Opfer Heil und ewiges Leben bringt, dass muss er durch sein Opfer die Macht der Sünde, den Bösen, besiegt haben. Die alte Kirche kannte die Vorstellung der Höllenfahrt Christi. Jesus fuhr in das Totenreich, um dort den Satan zu besiegen und die verlorenen Seelen aus seinem Machtbereich zu befreien. Er hat die Unterwelt mit seinem Licht geheiligt und so auch für uns das Sterben zu einem Gang zum Licht werden lassen. Ist das noch weiter vorstellbar, denkbar?
Ja, ich stelle mir vor, dass der Tod Jesus, wie es die Evangelien berichten, ein «kosmisches Erdbeben» ausgelöst hat. Die Sonne wurde verfinstert, Tote sind erschienen. Im Diesseits und im Jenseits hat mit dem Tod Jesus eine gewaltige Umwälzung stattgefunden, eine Verschiebung der Kräfte, die Herstellung einer neuen Ordnung. Hier wurde der Grundstein der neuen Schöpfung gelegt.

Offene Fragen
Ich müsste nun wild darauf los spekulieren, wenn ich mir weiter ausmalen will, wie der Ätherleib und der Astralleib des Christus sich mit den Elementen der Erde verbunden hat und dabei die feinstofflichen Welten wie auch die Elemente davon neu organisiert worden sind. Oder wie im Laufe der drei Tage der Auferstehungsleib Christi aus der Verbindung von Makro- und Mikrokosmos entstehen konnte, so, dass dieser Leib überall auf Erden gleichzeitig wirken kann als der kommende Menschensohn. Und wie er doch real als der Jesus erscheinen konnte, sogar ass und seine Wundmahl zeigte.
Ich merke, dass mir hier die Grundlagen fehlen, um sicher und klar weiter zu denken. Ich werde mich aber umschauen, ob und wo mir für solches Denken Hilfe und Unterstützung zukommen kann.

Fest steht, dass wir trotz des Sieges Jesu über den Tod und den Teufel weiterhin damit zu tun haben, auch als Glaubende und Getaufte. Müssen wir mehr noch über den Tod, den Untergang, das Leiden, die Vergänglichkeit, die Bosheit und die Bildheit der Menschen nachdenken oder darunter leiden, um zur Sehnsucht nach dem neuen Leben zu finden, um zu entdecken, was Gott uns im Opfer Jesus bereitet hat?

Wie weit ist es möglich, unsere Jugend, unsere Konfirmanden an dieses Mysterium heranzuführen? – Ehrlich gesagt: es ist nur beschränkt möglich, und wir können, ja müssen, den Boden bereiten. Eine Glaubensentscheidung ist nur möglich als lebenslanger Prozess, als Suchbewegung, als Werden (über viele Leben?)  – denn das Ziel ist so gross und erhaben, dass Gott dies nur mit uns zusammen erreichen will und kann.
Denn die Auferstehung, wie sie Jesus durch seinen Tod für uns erhalten hat, ist für uns ein Weg, ein Prozess, eine lange Bewährung und Übung, ein Leben unter der Gnade im Glauben. (20. Mai 2007)

 

 

 

 

 
 
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