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Der Menschensohn

Vor wenigen Tagen stellte ich auf einem Papier die Attribute des Menschensohns zusammen, so wie diese im 1. Kapitel der Johannesoffenbarung geschildert werden. Ich tat das, um mir bewusst zu machen, wie herausfordernd die  Deutung der Apokalypse ist. Auch verfertigte ich dazu zwei drei Zeichnungen. An folgenden Morgen, noch halb im Schlaf, erinnerte ich mich an die Beschreibung und meine Auseinandersetzung damit. Es gelang mir relativ leicht, ein entsprechendes inneres Bild aufzubauen. Es war gleich da mit sämtlichen Attributen.  Gerne hätte ich das innere Bild länger halten wollen, aber ich schlief entweder ein oder verlor das Bild. Ich hatte gehofft, mit diesem innern, warmen Bild Aufschlüsse über den Sinn der einzelnen Attribute zu erhalten. Denn sollte ich sie im Einzelnen deuten, so schiene es mir, als müsste ich auch etwas fabulieren. Gerne hätte ich ein sichereres gewissereres Gefühl für meine Gedanken dazu. Ich habe die Hoffnung, zu jedem der Symbole so schreiben zu können, dass die Überlegungen dazu zurückhaltend sind und doch überzeugen. Wenigstens wurde mir die Auseinandersetzung Anlass, mich vertieft mit der Erscheinung des Menschensohns zu beschäftigen. Wobei mich inzwischen schon wieder die Arbeit einholt, sodass ich jetzt nur schnell notieren kann, was ich in den letzten Tagen dazu neues entdeckt habe. (11.10.07)
Hier meine selbst gedachten Assoziationen zum Menschensohn. Eine gründlichere Auseinandersetzung mit seiner Herkunft folgt unten:

Der Menschensohn als Messiasgeheimnis
Die Traditionen rund um den «Menschensohn» scheinen auf etwas Hintergründiges im Zusammenhang mit der ganzen Heilsgeschichte zu deuten, auf eine tiefsinnige Heilsveranstaltung Gottes zur Ausführung seiner Ziele der Rettung und der Aufrichtung seiner Herrschaft. Der Menschensohn wird schon lange vor dem Leben Jesu geschaut als himmlisches Wesen in einer speziellen Funktion, welche auch mit der Urgestalt des Menschen (mit Adam) zusammenhängt. In der Verbindung mit Jesus Christus wird diese Himmelsgestalt zum Mittlerwesen bei der himmlischen Assimilation (Aufnahme in die Himmel, Assumtion) des künftigen Menschengeschlechts. Es geht hier also um die Teilhabe der Menschen an der Herrschaft des Messias, um deren Integration in den kosmischen Leib des «siegreichen» Prinzips, des Leibes Christi. Der Menschensohn steht quasi für die verwandelte Leiblichkeit des Volkes Gottes im Sinne des neuen Adam, darin die erlöste Menschheit aus ihrem ersten Schöpfungsextrakt wieder hergestellt wird dank der Erlösertat Jesu Christi, um zusammen mit ihm in den ursprünglichen Auftrag eingesetzt zu werden, über die Schöpfung zu herrschen (– entsprechende dem Schöpfungsauftrag Genesis 1, 26).
Was ich hier zaghaft andeute, müsste im Einzelnen begründet und ausgeführt werden. Was aber fest steht, ist, dass es sich bei Menschensohn um eine komplexe, eher esoterische Materie handelt – gelten doch die alttestamentlichen Visionen vom Menschensohn im Judentum als Texte nur für reife Menschen und Jesus selbst hat seine Menschensohnworte als Geheimnis mit nur wenigen seiner engsten Schüler geteilt. (13.10.07) Dazu passt auch, was der reformierte Theologe Oscar Cullmann in seinem Kapitel über den Menschensohn (in «Die Christologie des Neuen Testaments, 1957) am Schluss notiert:
«Noch wichtiger wäre es, wenn ein moderner Dogmatiker es einmal unternähme, eine Christologie ganz auf dem neutestamentlichen Gedanken des Menschensohns aufzubauen. Dies hätte nicht nur den Vorteil, dass eine solche Christologie ganz am Neuen Testament orientiert wäre und auf Jesus Selbstbezeichnung zurückginge, sondern darüber hinaus würde das im Grunde logisch unlösbare Problem des Verhältnisses der beiden Naturen in Christus auf eine Ebene verlegt, wo die Lösung sichtbar wird: der präexistente Menschensohn, der im Uranfang schon bei Gott ist, mit ihm als sein Ebenbild gegeben ist, ist seinem Wesen nach schon göttlicher Mensch, so dass die ganze mühsame Diskussion, wie sie die frühen christologischen Kämpfe beherrschte, eigentlich überflüssig wird.» (1.11.07)

 

Zum Begriff: Menschensohn
Während die Autoren der Evangelien Jesus den Titel Messias oder Gottessohn geben, benutzen sie «Menschensohn» als Titel, mit dem Jesus von sich selber spricht. Oscar Cullmann ist überzeugt, dass die Evangelien hier «eine schon fixierte Überlieferung weitergeben, nach der sich Jesus so genannt hat».
Das griechische Wort «hüios tu anthropu» entspricht dem aramäischen «Barnascha», wobei «Bar» Sohn heisst und «Nascha» von «Isch» (Mensch), respr. dem Plural «Anaschim», abgeleitet ist. «Barnascha» heisst frei übersetzt einfach Mensch oder Menschenkind. Im Hebräischen ist auch vom «Ben Adam» die Rede. Die griechische Übersetzung «hüios tu anthropu» bewahrt den aramäischen Ursprung des Begriffs, ebenso das deutsche Wort «Menschensohn» oder «Sohn des Menschen».

… bei Ezechiel
Die Texte im Alten Testament, die vom Menschensohn zeugen, nennen ihn im Zusammenhang mit Visionen, mit übersinnlicher Schau. Ezechiel, der im prophetischen Buch öfters selber als Menschensohn angesprochen wird,  beschreibt eine Gottesvision und dabei realisiert er die enge Beziehung zwischen Gott und dem Bild des Menschen – denn nach dem Bilde Gottes wurde der Mensch, Adam, erschaffen.
So gipfelt seine Thronwagenvision in der Schau des Menschensohns (Ez. 1, 26): «… und auf der Gestalt des Throns, oben auf ihm, war die Gestalt von einem, der das Aussehen eines Menschen hatte.» Hier ist die unnahbare Gottheit «herunter transformiert» und sie leuchtet durch eine Gestalt hindurch, die Ezechiel in der Vision schauen kann. Der Menschensohn ist die Vollkommenheit Gottes, sofern sie in der Gestalt eines Menschen aufbewahrt ist und geschaut werden kann. Über die Schau Gottes in Menschengestalt bringt später die jüdische  Mystik, die Kabbalah, interessante Aufschlüsse. Gott, der Schöpfer des Universums, ist unnahbar und für den Menschen nicht zugänglich. Doch sofern der Gott aus sich heraus tritt und  in seinem Bild den Menschen wie auch das Universum schafft, wird er in dieser ersten Schöpfungsmittlerschaft offenbar und schaubar als Menschensohn. Hier wird der Messias wirksam, der sein Reich bringen wird, die Einwohnung Gottes.

… bei Daniel
Bei Daniel (7. Kapitel) ist die Erscheinung des Menschensohns in eine dynamischere Schau, in eine Art Geschichtsprozess, eingerückt. Die Herrschaft der vier Tiere wird abgelösst durch die Herrschaft des Menschensohns: «Ich schaute in den nächtlichen Schauungen, und sieh: Mit den Wolken kam einer, der einem Menschen glich, und er kam vor den Hochbetagten, und vor diesem führte man ihn. Und ihm wurde Macht geben und Ehre und Königsherrschaft, und alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Macht ist eine ewige Macht, die nie vergeht, und seine Königsherrschaft wird nicht untergehen.» (Daniel 7, 13 – 14). Die vier Tiere stehen für Könige, aber auch für deren Macht und Herrschaft. Ebenso deutet der Mensch, dem die Herrschaft übergeben wird, auf eine königliche Gestalt, aber darin herrschen «die Heiligen des Höchsten», wie der Engel in der Vision deutet. Der Menschensohn ist Stellvertreter und Repräsentant für das Volk der Heiligen, also auch ein Kollektiv.

… in apokryphen Schriften
Weiter ist in nichtbiblischen, d.h. apokryphen Schriften vom Menschensohn die Rede, so im vierten Esra-Buch und vor allem im Buch Henoch. Henoch, der Siebente in der Generationenfolge nach Adam, der Grossvater Noahs, ist in diesem Buch nicht der Verfasser, sondern Gegenstand der Darstellung. Er ist der Eingeweihte in die himmlischen Geheimnisse, die Schrift wurde nach Oscar Cullmann in «esoterischen Kreisen des Judentums» tradiert und gelesen. Henoch gilt als einer der ersten, der leiblich entrückt worden ist: «Und Henoch lebte mit Gott. Dann ward er nicht mehr da, denn Gott hatte ihn hinweggenommen.» (1. Mose 5, 24).
Im Henochbuch wird der Menschensohn als eine Art Ansammlung von vollkommenen Geistern verstanden, als ein Kollektiv der Gerechten, das in den Himmeln aufbewahrt ist und im Laufe der Weltgeschichte spezielle Funktionen erhält, die viele Motive vorwegnehmen, die Jesus erneut zur Sprache bringt, so die künftige Herrschaft, das Gericht, das himmlische Mahl, das Bereiten einer himmlischen Stätte usw. Der Menschensohn ist hier ein präexistentes Himmelswesen, in dem alle Menschen ihren Bestand haben. Seit Urzeiten ist es im Himmel verborgen, bevor es am Ende der Zeiten auf die Erde kommt.
Trotz der Verwandschaft dieses Urmenschen mit Adam wird hier eine Gleichsetzung vermieden, da ja Adam der Ursprung der Sünde und des Falls ist. Dieses Problem löst Paulus dann mit der Rede vom ersten und zweiten Adam. Gnostische Judenchristen haben die Gleichsetzung von Menschensohn und Adam vollzogen, indem sie die Erzählung vom Fall zur Lüge  erklärt haben. Daraus ergab sich eine Adamsverehrung, für die aber das Heil bloss in der Wiederkehr der Urzeit bestand. Philo, der grosse jüdische Philosoph aus Alexandrien und Zeitgenosse Jesus, hat bei Adam, dem ersten Himmelsmenschen, zwei Phasen unterschieden. Er kennt zwei erste Menschen, jenen von Genesis 1, wo der Mensch Ebenbild Gottes ist, und jenen von Genesis 2, wo der Mensch aus Erde geformt wird. Eine Inkarnation des Himmelsmenschen wird im Judentum aber kaum gedacht. Er ist präexistent gedacht, aufbewahrt im Himmel, um am Ende der Zeit mit den Wolken des Himmels zu kommen.

Teils wird Henoch im Henochbuch mit dem Menschensohn identifiziert, wodurch mir verständlich wird, dass ein grosser Zeitgenosse (der Bulgarische Meister Omraam Mikhael Aivanhov in «Die himmlische Stadt», Kommentare zur Apokalypse, 2001) den Menschensohn in der Apokalypse mit Henoch identifiziert. Gegen diese Deutung erregte sich bei mir grosser Widerspruch. Aber es ist verständlich, dass viele Menschen Mühe haben, diese Furcht erregende Gestalt in Apokalypse 1 mit dem Meister Jesus uns seiner irdischen Geschichte in Beziehung zu bringen. Aber hat nicht Jesus selber mit seinen Menschensohnworten diese Identität klar angekündigt? (13.10.07)

… bei Jesus
Text folgt …

 

… in der Johannesoffenbarung
Ein Blick auf das erste Kapitel der Johannesoffenbarung zeigt die zentrale Rolle der Erscheinung des Menschensohns für das ganze Buch. Er ist der Initiator, der Offenbarer. An einem Sonntag erscheint er ganz unvermittelt dem Johannes in einer überwältigenden Audition und Schau. Zuerst vernimmt Johannes die Aufforderung, seine Schau an die sieben Gemeinden zu senden, die alle genannt werden. Dann wendet Johannes sich um, damit er die starke, posaunenähnliche Stimme sieht. Zuerst erblickt er sieben goldenen Leuchter, und darin einen, der einem Menschensohn ähnlich war.
Es folgt die Beschreibung:

  • bekleidet mit einem Gewand, das bis an die Füsse reicht
  • die Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel
  • Haupt und Haare weiss wie Wolle, wie Schnee
  • Augen wie eine Feuerflamme
  • Füsse gleich schimmerndem Erz, wie aus einem feurigen Ofen
  • eine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser
  • in der rechten Hand sieben Sterne
  • aus seinem Mund kommt ein zweischneidiges Schwert hervor
  • ein Angesicht, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft

Er sagt tröstend, segnend:

  • Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige
  • Ich war tot, und siehe ich bin lebendig in alle Ewigkeit
  • und habe die Schlüssel des Todes und des Totenreiches.

Es folgt die Aufforderung, das Gesehene, die Deutung wie auch das noch Geschehende aufzuschreiben, nämlich «das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner Rechten gesehen hast, nebst den sieben goldenen Leuchtern: Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden.» Apk. 1, 20

Die Apokalypse offenbart also das Geheimnis, wie der Menschensohn zwischen den sieben Gemeinden einhergeht und sie mit den sieben Sternen in seiner Hand leitet. Der Menschensohn ist seinen Gemeinden nahe und in den sieben Engeln handelt er mit ihnen. Sie sind in seiner Rechten.

Sodann folgen im 2. und 3. Kapitel die sieben Sendschreiben, in denen der Engel jeder einzelnen Gemeinde mit einem stets ähnlich aufgebauten Brief angesprochen wird. An jede Gemeinde wendet sich der Menschensohn mit einem oder zwei seiner Attribute. Fast alle der oben genannten Eigenschaften sind da verteilt auf die sieben Gemeinden.
Dann muss weiter beachtet werden, dass der Menschensohn jede der sieben Gemeinden intim kennt, und zwar in ihren Schwächen und Stärken, je mit den ganz konkreten Geschichten und Begebenheiten. Er tadelt und lobt die jeweils vor Ort verantwortlichen Engel der Gemeinden.
Die Briefe enden jeweils mit einer Verheissung, die erstaunlicherweise «vom Geist» ausgesprochen wird. «Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt». Stets sind also alle Gemeinden angesprochen. Verheissen werde denen, die überwinden, alte klassische Heilszusagen: Das Paradies, die Krone des Lebens, Manna, die Herrschaft, weisse Kleider, das neue Jerusalem,  das ewige Mahl.

> hier muss noch eine weitere Auslegung all der eben beschriebenen Elemente folgen.

 

Zu einer Lektüre:
Nun habe ich heute das Büchlein von Wilhelm Kelber «Der Menschensohn» fertig gelesen. Der Priester der Christengemeinschaft hat das Werk 1967 geschrieben: Eine gründliche Untersuchung zum Begriff «Menschensohn»: 1. als esoterischem Begriff im alten Israel, 2. seine Rolle im Neuen Testament, 3. sein Ursprung bei Daniel, Ezechiel, Esra und Henoch und 4. seine Rolle in der Anthroposophie.
Die Besprechung der biblischen Texte ist aufschlussreich, was die anthroposophischen Inhalte betrifft, bin ich einmal mehr verblüfft, wie viel da gewusst wird über kaum Zugängliches. Doch bei mir blieb doch dies und jenes hängen: So die Frage, was den Jesus Christus vor seiner Menschwerdung gemacht hat. Es kann ja nicht sein, dass er da untätig gewartet hat auf seinen Einsatz. Er muss ganz innig in alle Vorbereitungen involviert gewesen sein. Und über dieses frühere Wirken weiss Rudolf Steiner viel zu berichten.

 

 
 
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