Einleitung:
Zu meiner grossen Überraschung gab Google (am 26.5.06) zum Stichwort «Logoschristologie» 100 Treffer an, zum Stichwort «Logoschristentum» nur gerade meine Seite. Was heisst das? Habe ich da ein neues Wort kreiert? Tatsächlich schwebt mir nicht nur eine Logoschristologie vor, sondern ein Logoschristentum, in welchem durch den Geist die Kommunion mit Christus erfahren wird, wo immer man geht und lebt. Das wäre das kommende Geistchristentum. Aber wie kommt es, dass so wenig zu diesem Thema ausgearbeitet worden ist - wenigstens auf dem WWW? Das Johannesevangelium, so meine ich, wurde doch dazu offenbart, damit, wenn die Zeit reif ist, ein philosophisches Christentum dem sterbenden petrinischen Christentum wird helfen können, als verjüngte Kraft mitten in der Welt als johanneisches Christentum wieder auf die Beine zu kommen.
Was verstehe ich unter Logoschristentum
Unter «Logoschristentum» verstehe ich eine vom Johannesprolog (Johannes 1) angeregte philosophische Entfaltung des Christusglaubens, in welcher das Erkennen sich selber im schöpferischen Logos begründet findet. Diese im Logos begründete Erkennen (im Herzen, im Gemüht) ist darin offen für die Gnade der Heilung und der Verwandlung, also auch das tätige Handeln in der Welt entsprechend der Heiligung aus dem Logos. Das Erkennen wird Träger der Gemeinschaft mit Christus. So hat es auch Anteil am schöpferischen Heiligen Geist und erhält eine teleologische, eine zielgerichtete Willensausrichtung.
Denn wenn alles mittels des Logos erschaffen worden ist, der Himmel und die Erde, dann ist der Logos auch der Schlüssel zu beiden makrokosmischen Dimensionen, zur sichtbaren und zur unsichtbaren Welt. Wenn der Logos in das Seine kommt und in einem Menschen wohnen kann, dann ist er dort das Prinzip des ganzen Menschen, also des Mikrokosmos, jener wundersamen Verbindung von Geist, Seele, Leib und Körper. Der Logos ist das Gesetzt (das Urgesetzte) des Denkens, Fühlens und Handelns im Ich. Und er wird im Glauben auch zur Gnade für das Denken, Fühlen und Wollen im Ich. Er ist, wie es Troxler formuliert hat, der in Gott verborgene Mensch, unser Teil im Makromensch, dem Leib Christi. Im Bild, imaginativ, ist das auch der kommende Menschensohn.
Im Folgenden skizziere ich 1. die biblischen Grundlagen der Logoslehre und zeige 2. rudimentär auf, wie das «theologische» Logoschristentum vor der Aufklärung und der modernen Naturwissenschaft nicht Stand halten kann. Und ich suche 3. nach Ansätzen, wie eine Logoschristentum nach der Aufklärung und der Wende zur Empirie geläutert durch die Sinneserfahrung neu zum Leben kommen könnte. Dabei berufe ich mich auf vorhandene Ansätze. Denn ich kann nicht selber ein Logoschristentum für die Gegenwart entfalten, aber ich kann zeigen, wie die Keime dazu in der ganzen Geschichte des Christentums vorhanden sind. Und irgendwann will ich - so Gott will - Troxlers Philosophie kurz und bündig darstellen, denn er wollte dem Logos für die Neuzeit den Weg bereiten inmitten der Wissenschaften und dem Leben der Gesellschaft.
1. Der Johannesprolog
Das Logoschristentum findet seine Begründung im 1. Kapitel des Johannesevangeliums. Christus ist hier «das Wort» und als das Wort ist er zugleich der Anfang der Schöpfung: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.» Das Wort als präexistenter Schöpfungsmittler ist der Ursprung aller Dinge. «Alle Dinge sind durch dasselbe geworden, und ohne das Wort ist auch nicht eines geworden, das geworden ist.» Das Wort ist in der Schöpfung präsent und schaffend als Leben und Licht, es kommt in den Geschöpfen aber kaum zur Anerkennung, zum Selbstbewusstsein. Der schöpferische Logos hat durch die Gesandten gesprochen, aber sein Wort wurde stets verkannt. «In ihm war Leben, und das Leben war das Licht für die Menschen. Und das Licht scheint in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht angenommen.»
Dann kam das Wort selbst in die Welt, welche sich das Wort selber erschaffen hat. Es kam in die Welt im Sohn, im dazu erwählten Menschen. «Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. … Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir schauten seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie sie der einzige Sohn von seinem Vater hat, voll Gnade und Wahrheit.»
So wurde das Wort in seiner Herrlichkeit anschaulich. Die Reden und Handlungen des irdischen Jesus, wie sie die Evangelien schildern, sind Spuren dieses Wortes, das Gott offenbart als Gnade und Wahrheit. «Aus seiner Fülle haben wir ja alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. … Niemand hat Gott jemals gesehen; der einzige Sohn, der im Schosse des Vaters ist, der hat Kund gebracht.»
Und es gibt noch eine tiefere Offenbarung des Sohnes. Johannes der Täufer sieht diese prophetisch voraus: «Siehe das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.» Dieses Hinwegnehmen der Sünde ist eine komisch wirksame Opfertat. Es geht da nicht um die individuellen Verfehlungen, sondern um das Urprinzip der vielen Sünden, um den Fall, die Trennung von Gott, den Verlust der Ebendbildlichkeit. Indem der menschgewordene Logos das Menschenleben bis in den Tod und in das Totenreich durchlebt, wird der To besiegt, der Bann der Sterblichkeit gebrochen, der Weg zur Rückkehr des Menschen geebnet. Indem der Logos die Menschheit bis in die Todverfallenheit angenommen hat, ist der Mensch schlechthin geheiligt, hat der Mensch die Möglichkeit, aus dem Logos zu leben wieder erlangt.
So kann der Mensch leben: leben aus Gott, indem die irdischen Spuren des Logos auf Erden vernimmt (Bibelstudium, Predigt, Kontemplation der Texte), aber auch leben aus Gott, weil Christus durch sein Opfer den Menschen zu Träger des Logos berufen hat und dazu den Weg freigekämpft hat. Im Abendmahl wird dieses Mysterium vorbildlich erlebt. Wir nehmen Christus auf, seinen Leib und sein Blut. Es ist dies die Kraft des Logos, wie sie Jesus Christus in die Welt gebracht hat, die Kraft des Logos als ein Wesen, das die irdische Welt verwandeln kann, dass unsern Leib heilt und auferstehen lässt.
Dieses in Ephesus für die philosophisch gebildeten Gottessuchenden formulierte Johannesevangelium mit seinem Prolog hat den ersten Verteidigern des Christentums geholfen, Christus als universales Prinzip des Heils für die Kultur glaubhaft zu machen.
2. Logoschristentum in der Tradition
Von den frühen Kirchenvätern bis in die Zeit der Aufklärung begleitet das «Logoschristentum» die Kirche als jenen Teil der Theologie, welcher das Weltwissen in den Kosmos des Glaubens zu integrieren sucht. Hier wurde die Vernunft als Gott zugehörig erlebt (der Logos war im Anfang bei Gott und er war Gott) und zugleich als Grund der ganzen Schöpfungswerke erfahren (in Genesis 1 erschafft Gott die Welt durch sein Sprechen, im Johannesprolog sind alle Dinge durch das Wort geworden). Die Zugehörigkeit des Logos zur Vernunft kann sich darauf berufen, dass der Logos Mensch wurde. (Das Wort war das Licht der Menschen, … und das Wort ward Fleisch). So konnten die Kirchenväter wie auch die mittelalterlichen Theologen noch von einer heiligen Wissenschaft sprechen. Ihre Theologie war eine Entfaltung und Offenbarung des Logos im Menschen. Diese aus der Vernunft des Glaubens deduzierte Wahrheit wurde in der Zeit der Aufklärung suspekt. Sie blieb zu dogmatisch in ihrem Weltwissen und zu sehr im Dienst der Kirche. Sie behinderte auch die Anerkennung neuer physikalischer Erkenntnisse.
Vor allem der Protestantismus hat stets versucht, die Aufklärung aufzunehmen und mit der Zeit zu gehen. Kant wurde ernst genommen. Die Religion innerhalb der Grenzen der praktischen Vernunft führte zu Verengungen und Verflachungen der Religion. Sie wurde quasi zur bürgerlichen Ethik.
Der Anstoss der Idealisten (Fichte, Hegel) und der Romantiker (Schelling, Baader, Troxler), über Kant hinaus zu kommen, war primär ein religiöser. Man versuchte noch einmal die Religion ontologisch und komisch zu begründen im Einklang mit der modernen Kultur. So viel ich mitbekommen habe, hat Schleiermacher wohl am ehesten die Synthese zwischen Bibel, Philosophie und Kultur realisiert. Die Theologie dieser Zeit (1800 bis etwa 1880) war sehr umfassend. Die Religionsgeschichte wurde genauso wie die aufkommenden Spezialwissenschaften fruchtbar gemacht und philosophisch mit der Heilsgeschichte verbunden. Im Geist (Hegel) des Denkens kommt Gott zu sich.
Troxlers Logoschristentum: Eine vergessene Synthese
Für Troxler, den Schweizer Philosophen und Schellingschüler, war Hegels Synthese zu spiritualistisch und idealistisch. Er orientiert sich nicht am Geist, sondern am Auferstehungsleib Christi. Dieser markiert das höchste und letzte im Leben. Darin ist der Logos nicht einfach Geist, sondern Mensch. Die Erkenntnis entsteht nicht durch die Abstossung der Materie oder die Aufhebung der Schöpfung, sondern durch die Verwandlung im Gemüt des Menschen. Die Sinnlichkeit birgt ein göttliches Leben genauso wie der Geist. Im Menschen durchdringen sich diese Teile. Troxlers Logik ist eine Beobachtung dieser Durchdringung, in welcher die Sinneslehre ebenso konstitutiv ist wie die Lehre der Glaubenserkenntnis. Die Metaphysik ist auch eine Lehre des Menschen und die Lehre des Menschen eine Metaphysik. Weil diese Grundlagenwissenschaft nicht allein den Gesetzten des Denkens gehorcht, sondern auch dem Gesetzt des werdenden Lebens, sprach Troxler nicht von Anthropologie, sondern von Anthroposophie. Er hat den Begriff lange vor Steiner gebraucht, um damit auf die Grundwissenschaft zu verweisen, welche den Zusammenhalt aller Fakultäten und Wissensbereiche ermöglicht. Diese Grundwissenschaft hat Troxler als Rektor der Universität Basel in den Jahren 1830/31 für alle Fakultäten vermitteln wollen, später hat er an der Universität Bern seine Philosophie weiter ausgebaut und in seiner Enzyklopädie der Wissenschaften auch auf die neuen Entwicklungen der Naturwissenschaften reagiert.
Ende der Metapysik: Theologie und Weltwissen fallen auseinander
Allerdings hat Troxler in den 1840er-Jahren schon klar festgestellt, dass solch universale Synthesen nicht mehr gefragt waren, dass die Naturwissenschaften ihre praktischen Erfolge pflegten und an einer philosophischen oder gar religiösen Begründung nicht mehr interessiert waren.
Die Wissenschaften gehen seither ihre je eigenen Wege. Der Protestantismus hat sich wieder auf Kant besonnen und pflegte Theologie in mehr oder weniger offener Beziehung zur Kultur. Die Lutherische Zweireiche-Lehre begünstigte die Entwicklung, in der Kirche das Reich der Gnade und in der Wissenschaft das Reich der Werke zu institutionalisieren. Die beiden Bereiche vielen auseinander und standen sich im gegenseitigen Unverständnis gegenüber. Im Ersten Weltkrieg hat sich die Religion in ihrer Angleichung an die Kultur diskreditiert, im Zweiten Weltkrieg die Kultur (das Dritte Reich) mit religiösen Ambitionen ad absurdum geführt.
Es war fortan klar, dass Staat, Wisssenschaft, Kunst und Kultur weltlich und säkular bleiben sollen und dass Theologie ihre eigenen Wege geht: von Gott her bei Karl Barth (die Schrift ist die Basis) oder von der Existenz her bei Bultmann (Heideggers Philosophie steht Pate).
Allen diesen Ansätzen gemeinsam ist, dass Religion nicht mehr innerhalb der autonomen Lebensvollzüge des Subjekts vollzogen wird, sondern im Hören auf das Wort Gottes. Das Wort Gottes und die Gnade sind nicht mehr in den Worten der Kultur mit innewohnend. Umso eher konnte das weltliche Wissen losgelösst von der Religion frei und mündig ausgebaut werden. Hier entsteht die moderne Naturwissenschaft, welche mit dem Segen der Theologie die Welt beschreiben darf. Kant musste den Glauben beschränken, um für das Wissen Platz zu schaffen. Die Theologie hat ihre weltanschaulichen Ansprüche aufgegeben und zieht sich zurück auf innerliche Glaubensvollzüge, die vor allem für die Ethik relevant bleiben sollen. Der christliche Logos ist für die Wissenschaft verloren.
3. Ansätze zu einem neuen Logoschristentum
Immer wieder stosse ich auf das Licht der Vernunft, in welchem der Logos gefunden werden soll. Doch ich stell fest, dass ich diesem Thema eine längere und umfassendere Aufmerksamkeit zu schenken habe. Es geht auch um ein Unternehmen, das meine Kapazitäten übersteigt. Nachdem ich auf die Keime zu einem Logoschristentum in der Geschichte des Christentums verwiesen habe, muss ich nun auf aktuellen Schulen hinweisen, in welchen diese Keime in der Richtung eines aufgeklärten Logoschristentums zur Blüte gelangen wollen. Da und dort werden auch schon Früchte zu finden sein.
In einem Leserbrief an die Reformierte Presse (eine Kurzvariante wurde in Nr. 20; 17. Mai veröffentlicht) habe ich kürzlich auf mögliche Alternativen hingewiesen. Hier ein Teil dieses Briefes:
«Längst hat der Glaube überhand genommen, dass die physikalischen, chemischen und biochemischen Prozesse die ganze, sich selbst organisierende Wirklichkeit sind. So ist es nur konsequent, wenn Neurobiologen auch religiöse Gefühle, die Fähigkeit zur Aufklärung, ja die Idee Gottes mit Hirnströmen erklären wollen.
Von einem kirchlichen Blatt aber erwarte ich mehr als bloss eine unkritische Widergabe solcher Scheinerklärungen religiöser Phänomene. Der Protestantismus hat zu lange achselzuckend den Entwicklungen der materialistischen Naturwissenschaften zugeschaut und dabei auf ihren letzten Joker, auf Gott als den «Ganz anderen», gesetzt. Dieser Gott kann schon lange nicht mehr mit der natürlichen Entstehung des Kosmos und des Lebens in Beziehung gebracht werden. Die Folge ist, dass kirchliche Verkündigung mit aufgeklärter Theologie flach und uninteressant wird, mit biblischer Theologie aber suspekt und altmodisch wirkt. Neuerdings wird dieser Gott auch noch aus seinem letzten Reservat vertrieben, indem Ethik und Glaube mit Hirnfunktionen erklärt werden. So hat die schöne alte Weisheit von der Erschaffung der Welt aus dem Wort Gottes schon fast den Geist aufgegeben. Schade.
Es gibt geistvolle Alternativen zur materialistischen Sicht der Natur, aber diese haben es schwer, da sie die gewohnten Kreise und Rituale der Naturwissenschaften wie auch der Religionen stören. An einer vertieften Sicht der Natur wurde und wird darum eher ausserhalb der etablierten Institutionen gearbeitet, wo keine Regeln der Wissenschaft und keine Tabus der Theologie den gesunden Menschenverstand einschränken. Ich denke da an Ansätze von Karl Heim, Tailhard de Chardin, Adolf Portmann, Jean Gebser, Kem Wilber, Anthropsophie, Jochen Kirchhoff, Rupert Sheldrake und anderen. Da fände die Kirche für ihre Anliegen bessere Verbündete als bei der Neurobiologie, die sich als neue Leitwissenschaft aufzuspielen beginnt. Ihr zu hofieren, lässt eine Kirche aufgeklärt, zeitgemäss und modern erscheinen, nimmt ihr aber viel von ihrer Glaubwürdigkeit. Meines Erachtens werden weltanschauliche Fragen und Bedürfnisse von den Kirchen unterschätzt.» (Mai 06, an ref. Presse, as)
(Ende Mai 06)
Aphoristisches zum Logos
Kontemplation auf die Basiskraft der Sprache
Vor kurzen träumte ich diesen Satz: «Ich soll an die Basiskraft erinnern, welche dem Sprechen inne wohnt.»
Auslegunge folgt … (Ende Mai 06)
Montag, 10.Juli 2006: Ich steige wieder ein in meine Arbeit mit der Apokalypse. Noch beschäftigt mich das Logoschristentum >>> mehr
Freitag, 14. Juli 2006: Logoschristentums zum Zweiten und Dritten – die Frage nach einer zeitgemässen Logoschristologie treibt mich weiter um >>> mehr
Dienstag, 18. Juli 2006: Ich erhebe Protest gegen eine katholische Logoschristologie (>>> mehr) und bringe meine Lektüre zum Logos aufs Netzt >>> mehr
Der Logos ist unsere Sprache für das Diesseits wir für das Jenseits
Ich wehre mich gegen Behauptungen, übersinnliche Tatsachen liessen sich nicht versprachlichen. Immer wieder lese oder höre ich ähnliche Aussagen, wonach unsere irdischen Sprache nicht geeignet seien, etwas über das Jenseits zu sagen oder überhaupt die nicht sinnlich wahrnehmbaren Welten irgendwie zu beschreiben oder zu charakterisieren. Nun bin ich aber überzeugt, dass wir, um über das Jenseits zu sprechen , dieselbe Sprache brauchen und jede Sprache auch Übersinnliches verbalisieren und zu Bewusstsein führen kann. Der Mangel liegt nicht in der Sprache, sondern im Sprechenden, der mit seinem Wort nicht eine entsprechende Wahrnehmung, Erinnerung, Schau oder Empfindung verbinden kann. Der Logos ist eins, sei er nun durch äussere, uns vertraute Wehrnehmungen gesättigt oder sei er von inneren Schauungen oder ausserkörperlichen Erlebnissen erfüllt. Der ganze Mensch mit all seinen sinnlichen wunderbaren Einrichtungen, den Sinen, der Empfindungsseele oder geistigen Sinnen – alles fördert den Logos des inneren Ichbewusstsein. Dem inneren Logos ist der Mensch in seiner Komplexität nicht fremd, er ist «das Seine» und daher kann alles, was im Menschen ist, sich im Logos manifestieren und in seiner Sprachfähgikeit assimiliert werden. Noch sind es Welten, die im in der Realität fremd bleiben müssen, sofern er Bewusstsein werden soll, so etwa Substanz der Materie oder das Kunstwerk des lebendigen Organismus, welches von unserem bruchstückhaften Bewusstsein besser nicht verantwortet werden muss. Aber die Anlage, so meine ich, ist im Logos dazu da. Was ich sagen will: Wenn wir an den Logos glauben, sollten wir ihm nicht prinzipiell absprechen, auch ausserweltliche Bereiche in ihm zu assimilieren, logosfähig, sprachfähig zu machen und so uns heim zu führen. (22.7.06)
Jesus als Logos – für Johannes nur eine Randbemerkung?
Markus Anker macht mich bei einem Gespräch in unserm Garten darauf aufmerksam, dass in der Theologie oft vertreten werde, dass der Johannesprolog (mit der Gleichsetzung Jesu mit dem Logos) für das Evangelium selber nicht konstitutiv und prägend sei. Es werde im Weiteren nicht damit gearbeitet, Jesus nicht mehr Logos genannt. Darum sei es auch problematisch, auf Grund des Prologs, der wie ein Zusatz da steht, eine Logoschristologie zu begründen und sie gar zur Mitte des Glaubens zu machen, wie ich es mit dem Begriff Logoschristentum tun würde.
Ich sehe, dass das Argument etwas für sich hat. Allerdings habe ich in Kelbers Buch über die «Logoslehre von Heraklit bis Origenes» gelernt, dass Johannes den Prolog und das Evangelium durchaus in Relation setzt. Der menschgewordene Logos kann im Evangelium vernommen werden, er spricht in langen Reden und er handelt. Und umgekehrt erhält damit der Prolog erst seine Fülle, seinen Inhalt im Evangelium. Doch werde ich mir dazu nach mehr Gedanken machen, wiefern Christus als Logos auch im ganzen gesehen schriftgemäss ist.
Ich hole das Buch von Cullmann {Christologie des Neuen Testaments) und lese, dass dieser Titel wirklich nur in den johanneischen Schriften vorkommt und dort auch nur drei mal: im Prolog, im 1. Johannesbrief und in der Apokalypse (19,13). Schon Harnack hätte deshalb vertreten, der Prolog gehöre nicht eigentlich zum Evangelium und sei später mit ihm verbunden worden. Cullmann zeigt, wie weit verbreitet der Begriff Logos in der damaligen Umwelt bei Hellenen und Juden war. Es nimmt daher an, dass Johannes den Begriff aufnahm und zeigen wollte, dass er in Jesus seine Erfüllung findet. Zudem sei der Begriff geeignet, um den «johanneischen christologischen Universalismus» auszuführen. Er dient dazu, Schöpfung und Erlösung als Heilsgeschehen zusammen zu sehen. (Samstag, 28.7.2006)