Ephesus wurde mehrmals zerstört, verlassen und landeinwärts wieder errichtet. Die Ruinen der römischen Stadt, in welcher Paulus und Johannes gewirkt haben, sind zu grossen Teilen ausgegraben und zugänglich. Bei den hier folgenden Angaben zum antiken Ephesus, zur Geschichte der Christen und den Ruinen von christlichen Kirchen handelt es sich grösstenteils um Zusammenfassungen aus einem Buch von Otto Meinardus zu den sieben Gemeinden der Offenbarung.
1. Das antike Ephesus
Ephesus wartet mit eindrucksvollen Sehenswürdigkeiten für klassizistisch, archäologisch und biblisch interessierte Pilger auf.
Einst an der Mündung des Kaystros – jetzt 10 km landeinwärts – gelegen, war Ephesus eine karische Siedlung, später von Griechen besiedelt, ab 546 von den Persern beherrscht.
Weil sich Ephesus dem ionischen Aufstand nicht anschloss, wurde die Stadt vom Perserkönig Dairus verschont.
Nach den Perserkriegen war Ephesus im Attischen Seebund und käpfte im peloponnesichen Krieg auf der Seite Spartas; nach 386 v. Ch. geriet es wieder in den Händen der Perser.
Im Jahr 334 v. Chr. brachteer Makedonier Alexander der Grosse die Herrschaft der Griechen.
Das Artemision von Ephesus, der Tempel der Artemis, war eines der sieben Weltwunder. Nach dem Tod Alexanders verwaltete Lychimachus die Stadt und nannte sie (ohne Erfolg) nach seiner Gemahlin Arsinoeia. Er verlegt die Stadt und den Hafen nach Westen (heutige Ausgrabungen) und umgab sie mit einer 9 km langen Mauer.
Auch unter den Seleukiden (281 -190 v. Chr.) blieb Ephesus das grösste Handeslzentrum Kleinasiens.
Nach der Niederlage des Sleukidenkönigs Antiochus des Grossen durch die Römer (190 v. Chr.) schloss sich die Stadt dem Königreich Pergamon an und wurde 33 v. Chr. römisch.
Ephesus war im Vergleich zu Smyrna nicht romfreundlich. Die Stadt stand 111 v. Chr. auf der Seite des pontischen Königs Mithridates. Die Epheser töteten römische Soldaten, die im Tempel der Artemis nach alter Tradition Asylrecht hätten geniessen können.
Augustus besuchte die Stadt vier mal. Sie war der wichtigste Knotenpunkt zwischen Orient und Okzident. Hier wirkten Heraklit, Hermodorus, Hipponax, Parrhasius, Axellus, Lychnus und viele weitere grosse Gestalten.
2. Das apostolische Ephesus
Nach Irenäus von Lyon (2. Jh.) hat Paulus die Gemeinde in Ephesus gegründet.
Gemäss einer frühchristlichen Tradition hat sich der Lieblingsjünger Johannes mit Maria, der Mutter Jesu, in Ephesus niedergelassen. Die apokryphen «Wanderungen des heiligen Johannes, des Theologen» berichten von allerlei Wundern und von seiner Missionstätigkeit in Ephesus vor seiner Verbannung nach Patmos.
Ab Mitte des 1. Jh. bildete sich in Ephesus, der Stadt der Artemis-Diana, eine christliche Gemeinde. Lukas berichtet in der Apostelgeschichte mit 44 Versen von der Missionstätigkeit des Apostels Paulus in Ephesus, die sich bei seinem zweiten Besuch in Ephesus (ab Herbst 51) über zwei Jahre erstreckte und viele Menschen in der ganzen Provinz Asien erreicht hat (Apg. 19.10).
Die in Ephesus geschriebenen Briefe des Paulus geben viel Aufschluss über die Kontakte und Beziehungen des Apostels.
So weiss die Schrift von einer Synagoge in Ephesus (Apg. 18,19,26; 19,8), archäologisch ist sie aber nicht bezeugt.
Im 1. Jh. existierten grosse jüdische Gemeinden in fast allen Provinzstädten Asiens und Galiziens. Um 200 v. Chr. hatten viele Juden Babylon verlassen und sich hier niedergelassen. Der Talmud sprach von diesen Juden als von den zehn Stämmen, die durch «die Bäder und den Wein», Zeichen der opulenten römischen Sitten, von ihren Glaubensbrüdern getrennt waren. Die Juden besassen (gegen den Willen vieler Ionier) volles Bürgerrecht. Sie waren befreit vom Kriegsdienst und durften ihre religiösen Gebräuche ausüben.
Aquilla und Priszilla aus der römischen Provinz Pontus waren im Jahr 49 aus Rom ausgewiesen worden. Sie, die wie Paulus Zeltmacher waren, trafen den Apostel zuerst in Korinth, und waren dann in Ephesus wichtige Gemeindeglieder, vor allem im Bezug auf die Mission. Sie haben Apollos, einen Jünger des Täufers, in die Lehre eingeführt (Apg. 18, 25-26).
In Ephesus hörte Paulus von jüdischen Christen in Galatien, die Unruhe stifteten und gegen Paulus gesetzesfreie Verkündigung auftraten (Gal. 1,6-9).
In Bedrängnis
Aus einigen Briefen lässt sich auf Leiden des Apostels in Ephesus schliessen: 2. Kor. 1, 8-9 spricht von einem Todesurteil, 1. Kor. 15, 32 von Tierkämpfen.
Die apokryphen Paulusakten berichten ausführlicher und in wundersamer Weise von der Haft in Ephesus. Von Gefahren spricht auch Röm. 16, 1-4.
Nach der örtlichen Überlieferung war das Gefängnis des Paulus der grosse viereckige Turm am Westende des Koressos-Berges unweit des Hafens von Ephesus, einem Teil der von Lysimachus errichteten Verteidigungsanlage. Ab dem 17. Jh. bis zur Gegenwart wird den Besuchern aus dem Westen dieses Gebäude als Gefängnis des Paulus präsentiert.
Aus seinem Gefängnis, in dem Paulus auch Gäste empfangen konnte (Phil. 2,25; 4,18), schrieb der Apostel mehrere Briefe. Auch konnte er von da aus missionarisch wirken (Phil. 1,1; 2,19).
Unter den Besuchern war auch der entwichene Sklave Onesiums (Kol 4, 7-9) und Ephras, der die Gemeinden Kolossä, Laodicea und Hierapolis gegründet hatte. Gegen Ende der Haft waren die Christen in Ephesus bedrängt (Kol. 4,10-14). In diesen Tagen wird Paulus sein Rundschreiben, das als Epheserbrief bekannt ist, an die Gemeinden in Kleinaisen, verfasst haben. Viele zeitgenössische Theologen bestreiten allerdings die Echtheit dieses Paulusbriefes.
Kaum war Paulus wieder in Freiheit, setzte er seinen Missionsdienst fort. Die Apostelgeschichte berichtet von einem jüdischen Geisterbeschwörer (Apg. 19,13ff.), der im Namen Jesu und im Namen des Paulus heilen wollte. Doch die beschworenen Geister haben sich gegen den Heiler gewendet. Diese Begebenheit soll in ganz Ephesus bekannt geworden sein und eine Bücherverbrennung gegen die «vorwitzigen Künste» bewirkte haben .
Kurz vor seiner Weiterreise ist Paulus bei einem Aufstand der Silberschmiede beinahe einer Lynchjustiz erlegen (Apg. 19, 23ff.). «Gross ist die Artemis von Ephesus» schrie der Pöbel im Theater von Ephesus während Stunden, um gegen Paulus zu protestieren. Nur dank eines geschickt handelnden Stadtschreibers könnte die Masse beruhigt werden.
Paulus reiste weiter nach Korinth und erinnerte sich dort seiner Freunde in Ephesus . Das letzte Kapitel des Römerbriefs 16,1-24) ist ein Empfehlungsschreiben an die Gemeinde von Ephesus.
Paulus hat Ephesus nie wieder gesehen. Auf dem Rückweg von seiner dritten Missionsreise verblieb er im Jahr 57 lediglich in Milet, wo er sich von den Ältesten der Gemeinde Ephesus in rührender Art verabschiedet hat (Apg. 20,17-37).
Der paulinische Einfluss blieb lange erhalten: Gegen das Jahr 100 n. Chr. sammelten Schüler des Paulus seine Schriften und stellten einen Corpus an sieben Kirchen zusammen: Rom, Korinth, Galatien, Philippi, Kolossä, Thessalonich und Laodizea (Philemon) mit einem Begleitschreiben, dem sog. Epheserbrief.
Wenige Jahre später sammelten die Christen Kleinasiens die sieben Briefe des hl. Ignatius von Antiochien und die drei Briefe von Johannes, dem Presbyter.
Paulus liess Timotheus in Ephesus zurück (1 Tim. 1,3). Eusebius schrieb im 4. Jh., dass Timotheus zuerst die Bischofsweihe in Ephesus erhalten habe und dort unter Domitian vom Pöbel zu Tode geschlagen worden sein. Im 6. Jh. Wurde eine Gedenkstätte für Timotheus auf dem Berg Pion in Ephesus verehrt.
Zum Kaiserkult:
Augustus hat Ephesus vier mal besucht. Hier lebte auch der Vertreter der neuen politischen Religiosität, der Hohepriester Asiens, der mit rituellen Handlungen aus dem Kaiserkult die Session des Landtags zu eröffnen pflegte. Stand Pergamon in der Ausübung und Pflege des Kaiserkultes auch an der Spitze, so war Ephesus doch die Stätte, wo dieser Kult am stärksten offiziell in Erscheinung trat. Ephesus hat auch den Titel «Neokorus» oder Tempelverwalter erworben.
Eusebius berichtet, dass sich Johannes nach seiner Rückkehr aus Patmos in Ephesus niederliess, von wo er die benachbarten Gemeinden besuchte, neue Gemeinden ins Leben rief und Bischöfe weihte. Er starb in Ephesus während der Regierungszeit Trajans (98-117).
3. Geschichtliche Anmerkungen zur Kirche in Ephesus
Ignatius, der Bischof von Antiochien, reiste 105 n. Chr. unter militärischer Bewachung über Ephesus nach Rom. In Ephesus hat er Bischof Onesimus empfangen, «einen Mann von unbeschreiblicher Liebe». Kurz darauf schrieb er an die Epheser, lobte die Gemeinde und nannte sie «die überglückliche Kirche von Ephesus». Zugleich mahte er zu Eintracht und warnte vor Irrlehren und Zwietracht.
Im 2. Jh. wurde Ephesus zum geistlichen Mittelpunkt der Provinz Asien, Polykrates von Ephesus erhielt den Titel des rangältesten Bischofs der umliegenden Bistümer.
im Jahr 431 wurde das Dritte Ökumenische Konzil nach Ephesus berufen, um die christologischen Kontroversen zwischen Nestorius (Erzbischof von Konstantinopel) und Kyrillus (Erzbischof von Alexandrien) zu schlichten. Beide nahmen den Primat ihrer Ortskirche in Anspruch.
Kyrillus hatte ein Jahr zuvor mit den orientalischen Kirchen in Alexandrien die Ansichten des Nestorius mit 12 Anathemata verurteilt. Nestorius lehnte diese Entscheidungen ab.
So sah sich Kaiser Theodosius II. gezwungen, ein ökumenisches Konzil einzuberufen, das sich in der Marienkirche zu Ephesus traf und den nicht anwesenden Nestorius seines Amtes enthoben und wegen seiner Irrlehren exkommuniziert hat.
Im 5. Jh. besass Ephesus den Rang der zweitwichtigsten Metropole des Patriarchats von Konstantinopel.
im 6 Jh. unterstanden dem Metropoliten von Ephesus über 36 Suffraganbischöfe;
Metropoliten waren Memnon, Basilius und Bassianus, der ein Krankenhaus mit 70 Betten errichten liess. Bassianus soll nicht von einem Patriarchen, sondern von 40 Bischöfen geweiht worden sein.
Die Epheser-Kirche vertrat die Lehre von der «einen Natur Jesu Christi», die von der alexandrinischen Kirche vertreten wurde - und nicht die Zwei-Naturen-Lehre der Kirchen Roms und Konstantinopels.
Im 6. Jh. liess Kaiser Justinian anstelle der alten kleinen Kapelle über dem Grab des Johannes eine prächtige Basilika erbauen.
Von 655-717 war Ephesus vorübergehend durch die Araber besetzt.
Im Bilderstreit während des 8./9.Jhs. leideten Bilderfreunde (Ikonodulen) wie auch Bilderfeinde (Ikonoklasten) unter gegenseitiger Verfolgung. Zwei Bischöfe, Hyatius und Theophius, starben als Bilderfreunde den Märtyrertod. Die Mehrzahl der Mönche war bilderfreundlich.
Im Jahr 1078 verlor Kaiser Michael VII. für kurze Zeit seinen Thron und wurde Bischof von Ephesus.
Wenige Jahre später, 1090 n. Chr., wurde Ephesus von den Seldschuken eingenommen und zum grossen Teil zerstört.
Die Stadt verlor damit ihre ehemalige Bedeutung.
4. Die Ruinen der christlichen Kirchen in Ephesus
Die Marienkirche
Die Johanneskirche
Die Grabstätte der Sieben-Schläfer
Das Haus der Maria
5. Das heutige Ephesus
Vorläufig biete ich hier meine Impressionen und Begegnungen in der Woche vom 20. bis 28. November 2005 in Ephesus/Selçuk. >>> zum Reisetagebuch aus Ephesus