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Die 24 Ältesten um den Thron Gottes (Apk. 4-5)

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In seiner Thronvision (Kap. 4 und 5), bei welcher Johannes in den Himmel entrückt wird, ist er «im Geiste» und erblickt die göttliche Welt bildhaft in ihren ewigen Ursprüngen und Gestaltungskräften. Sein Blick fällt zuerst auf den Thron in der Mitte der Gotteswelt, umgeben von einem Regenbogen. Auch dem Thron sass einer, der seinem Aussehen nach gleich einem Jaspis- und Karneolstein war. Dann aber kommen 24 Throne in das Blickfeld.

1. Die 24 Ältesten in der Johannesoffenbarung

«Und um den Thron waren vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen.» (Apk. 4,4) Darauf erblickt Johannes auch die sieben Feuerfackeln, welche die sieben Geister Gottes bedeuten, und die vier Wesen (Gestalten, Tiere), die noch näher um den Thron sind.
Die vier Tierwesen (wie ein Löwe, Stier, Mensche und Adler) und die 24 Ältesten zeigen sich im weiteren Verlauf der Offenbarung in einer engen Abhängigkeit und Kooperation. Ihre Funktion besteht hier in der singenden Anbetung Gottes. Diese Gestalten sind vollendet in ihrer Entwicklung und erfüllen primär eine Aufgabe im Himmel. Während die sieben Geister Gottes ausgesandt sind in alle Welt, als Augen des Lames auftreten und als Sterne in der Hand des Menschensohns (welche die 7 Engel der 7 Gemeinden bedeuten), sind die vier Wesen und die 24 Ältesten quasi Assistenten Gottes, schöpferischen Kräfte des Himmelskreises, die feiernd Anteil nehmen an dem, was Gott für seine Schöpfung vorhat und ausführt. Sie leben in der «ständiger Anbetung». Diesen Begriff und die Praxis der ununterbrochenen Anbetung hat die Kirche aus dieser Stelle der Offenbarung abgeleitet.
Bevor nun der grosse Moment im Himmel eintritt, bei dem Gott mit dem Buch erscheint und das Lamm es übernimmt, erscheint ein eigentlich futurisch formulierter Lobgesang der vier Wesen und der 24 Ältesten, welcher sich auf das Kommen Gottes bezieht.
«Und eine jede der vier Gestalten hatte sechs Flügel, und sie waren außen und innen voller Augen, und sie hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt.
Und wenn die Gestalten Preis und Ehre und Dank gaben dem, der auf dem Thron saß, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, fielen die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem, der auf dem Thron saß, und beteten den an, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und legten ihre Kronen nieder vor dem Thron und sprachen: Herr, unser Gott, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen waren sie und wurden sie geschaffen.» (Apk. 4,10-11).
Diese ewige Anbetung Gottes am Ende des 4. Kapitels preist Gott als Schöpfer. Die vier Wesen und die 24 Ältesten wissen um die Gegenwart der Macht Gottes in der Schöpfung, durch welche alles geworden ist und Bestand hat. Innerhalb der schöpferischen Tätigkeit Gottes muss somit auch die Tätigkeit diese Wesen und Ältesten angesiedelt sein, denn das Lob der Engel ist immer auch ein Wirken in dem, was besungen wird. Der Gesang der Engel ist nicht nutzloses Beiwerk zur Weltenmusik, welche die Schöpfung schwingungsmässig durchdring und erhält. Dieser Gesang ist Teil der Wirklichkeit Gottes. Über die dienstbaren Engel ist Gott selber in der Schöpfung oder in seinem Volk gegenwärtig.

Im 5. Kapitel nun, in dem Johannes in der rechten Hand das Buch mit sieben Siegelen erblickt und weint, weil niemand im ganze Kosmos würdig ist, das Buch zu öffnen, tritt einer der 24 Ältesten zu Johannes und sagt ihm die befreiende Wahrheit, den Schlüsselsatz der ganzen Offenbarung: «Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und seine sieben Siegel.» (Apk. 5,5)
Dieser Älteste ist in die Heilsgeschichte eingeweiht. An ihm wird sichtbar, dass diese erhabenen Gestalten um den Thron Gottes nicht bloss Gott als Schöpfer kennen, sondern auch ein Wissen um die künftige Entwicklung des Menschengeschlechts haben. Ja, sie feiern in ihrem himmlischen Gottesdienst geradezu den grossen Moment, wo das Lamm sichtbar wird und das Buch aus der Hand nimmt. Um dieses «neue Lied» Lied anzustimmen, benutzen sie ein Instrument und in einer priesterlichen Funktion ein kultisches Gerät, eine Räucherschale, mit der sie die Gebete der Menschen hinauf tragen und verstärken:
«Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.» (Apk. 5,8-11)
Zu diesem neuen Lied, das die künftige, durch das Opfer des Lammes möglich gewordene Entwicklung der Menschen hin zu einem priesterlichen und königlichen Geschlecht feiert, und in das der ganze Kosmos einstimmt, sprechen die vier Gestalten das Amen und die 24 Ältesten fallen anbetende nieder. Ihr himmlischer Gottesdienst, der im 4. Kapitel auf Gott den Schöpfer gerichtet ist, wendet sich nun am Ende des 5. Kapitels der Vollendung der Weltzeit zu, an welcher die 24 Ältesten dienend und wirkend Anteil nehmen - Kraft ihrer mitregierenden Macht (die Throne), ihrer priesterlichen Reinheit (die weisen Gewänder) und ihrer königlichen Erkenntnis (die goldenen Kronen). Diese wissende Anteilnahme zeigt sich eindrücklich im 7. Kapitel, wo vor der Öffnung des letzten Siegels die aus Israel erwählten und die grosse Schar der Erlösten aus allen Nationen vor dem Thron Gottes sichtbar werden. Dabei spricht Johannes einen der Ältesten mit dem Hoheitstitel «Kyrios», Herr, an, was darauf schliessen lässt, dass die Ältesten ihre Vollendung bereits in einer anderen Welt erlangt haben und «herrschaftlich» geworden sind. Sie gehören nicht zu denen, die ihre Kleider in dieser Weltzeit gewaschen haben, sondern sie überblicken betend - hier auch lehrend - die Entwicklung der Menschen.
«Und einer der Ältesten fing an und sprach zu mir: Wer sind diese, die mit den weißen Kleidern angetan sind, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind's, die gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten; es wird auch nicht auf ihnen lasten die Sonne oder irgendeine Hitze; denn das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.» (Apk. 7,13-17)
Später erscheinen die Ältesten noch an dieser oder jenen Stelle, wo die Entwicklung der Welt ihrer Vollendung entgegen geht. Sie reagieren jeweils auf die erreichten Taten des Messias Christus bei der Durchsetzung seiner Herrschaft:
«Und der siebente Engel blies seine Posaune; und es erhoben sich große Stimmen im Himmel, die sprachen: Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen saßen, fielen nieder auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Wir danken dir, Herr, allmächtiger Gott, der du bist und der du warst, dass du an dich genommen hast deine große Macht und herrschest! … _Und der Tempel Gottes im Himmel wurde aufgetan, und die Lade seines Bundes wurde in seinem Tempel sichtbar; und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner und Erdbeben und ein großer Hagel. (Apk. 11,15-19)
Ebenso stimmen die 24 Ältesten ein in den Jubel über den Fall der grossen Hure Babylon: «Und die vierundzwanzig Ältesten und die vier Gestalten fielen nieder und beteten Gott an, der auf dem Thron saß, und sprachen: Amen, Halleluja!» (Apk. 19,4)

Deutungsversuche der wissenschaftlichen Theologie

Auf der Suche nach Vorbildern, welche Johannes in seiner Vision geleitet haben, wurden die Theologen im Alten Testament und bei astrologischen Vorstellungen der Babylonier und der Perser fündig. Ein Konsens scheint darin zu bestehen, dass die Idee der 24 Ältesten einen polytheistischen, astralmythologischen Ursprung hat, aber schon vor Johannes eine Umformung und Abwandlung im jüdischen Kontext gefunden hat.

Zu den Vorbildern im alten Testament:
Oft wird 2. Mose 24, 9-11 und die davon abhängige Stelle Jes. 24, 23 als Vorbild für die 24 Ältesten in der Apokalypse des Johannes herangezogen. Bei der ersten Stelle handelt es sich um den Aufstieg Moses auf den Berg der Offenbarung, wo er von 70 Ältesten begleitet wird:
«Da stiegen Mose und Aaron, Nadab und Abihu und siebzig von den Ältesten Israels hinauf und sahen den Gott Israels. Unter seinen Füßen war es wie ein schöner Saphir und wie die Gestalt des Himmels, wenn's klar ist. Und er reckte seine Hand nicht aus wider die Obersten in Israel. Und da sie Gott geschaut hatten, aßen und tranken sie.» (2. Mose 24,9-11)
Das Bild der Ältesten auf dem Berg erscheint bei Jesaia im Hinblick auf den Tag Gottes, das Endgericht, wo Gott sein Gesetz vom Himmel her neu aufrichten wird: «Und der Mond wird sich schämen, und die Sonne mit Schanden bestehen, wenn der HERR Zebaoth König sein wird auf dem Berge Zion und zu Jerusalem und vor seinen Ältesten in der Herrlichkeit.» (Jes. 24, 23).
Nun sind aber die Ältesten in der Apokalypse des Johannes viel klarer in ihrer Funktion umschrieben, als an den oben genannten Stellen, sodass hinter diesen alten Vorbildern eine Entwicklung der Tradition steht, welche die Theologen noch nicht aufgezeigt konnten.
Die andere, oft zitierte Stelle ist die Gerichtsszene bei Daniel, wo dem Menschensohn die Herrschaft übergeben wird.
«Solches sah ich, bis dass Stühle gesetzt wurden; und der Alte setzte sich. Des Kleid war schneeweiß, und das Haar auf seinem Haupt wie reine Wolle; sein Stuhl war eitel Feuerflammen, und dessen Räder brannten mit Feuer. Und von ihm her ging ein langer feuriger Strahl. Tausend mal tausend dienten ihm, und zehntausend mal zehntausend standen vor ihm. Das Gericht ward gehalten, und die Bücher wurden aufgetan.» (Daniel 7,9-10)
Dieses Richterkollegium lässt sich aber nur bedingt auf die 24 Ältesten beziehen. Die 24 Ältesten haben in der Apokalypse keine Richterfunktion, sie haben von Anfang an ihre Throne, wogegen die Throne für das Gericht erst vor dem 1000-jährigen Reich aufgestellt werden und zwar nicht für die Ältesten. Die Throne sind hier selber das Subjekt des Thronens: «Und ich sah Throne und sie setzten sich darauf, und ihnen wurde das Gericht übergeben.» (Apk. 20,4)
Auch der Versuch, die 24. Ältesten mit den in der Chronik genannten 24 Priesterklassen in Beziehung zu bringen, hat die moderne Exegese meist wieder verworfen. «Und er ordnete sie also: sechzehn aus den Kindern Eleasars zu Obersten ihrer Vaterhäuser und acht aus den Kindern Ithamars nach ihren Vaterhäusern.» 1. Chron. 24,7-18
Es ist an dieser Stelle von Klassen, eigentlichen Familiengruppen, die Rede. Die Ältesten der Johannesoffenbarung aber sind Einzelpersönlichkeiten.
W. Hadorn erwähnt auch die kirchlichen Versuche, die Throne der Ältesten mit Gestalten aus den eigenen Reihen zu besetzen: Diese «Exegese hat diese Throne sehr willkürlich verteilt, bald an Kardinäle oder auch an lutherische Pastoren, an die Patriarchen von Adam an oder an einen erst noch zu bildenden Ausschuss aus der ganzen Menschheit, … Beliebt ist die Deutung auf die 12 Patriarchen als Vertreter des Alten Bundes und die 12 Apostel als Vertreter des Neuen Bundes, oder dann auf ein gemischtes Kollegium von Vertretern der judenchristlichen und heidenchristlichen Gemeinde. Alle diese Deutungen fallen aber dahin, sobald man erkennt, dass diese Presbyter gar nicht Menschen, sondern höhere Wesen, Engel, sind, die eine besondere Stellung einnehmen. … am ehesten ist an Wesen zu denken, die in Kolosser 1,16 als «Throne» bezeichnet werden.» Um diese Sicht zu belegen, verweist Hadorn auf die Bibelstellen Gen. 1,26; 1. Kön. 22, 19-22; Ps. 89,8; Hiob 1; Dan. 4,14, wo Gott umgeben von einer Versammlung von Engeln erscheint.

Zu den Vorbildern aus der Religionsgeschichte
Mit der Erkenntnis, dass die Ältesten Engel sind, ist deren Zahl 24 noch nicht erklärt. Hier suchen die meisten Exegeten Vorbilder in den astrologischen Lehren der Babylonier und der Perser. Bereits Gunkel hat in seinen religionsgeschichtlichen Forschungen einen babylonischen Text herangezogen, der von 24 babylonischen Sterngöttern im Tierkreis spricht, während N. Morosow «an die 24 Stunden des Tages, die Horen, erinnert, die man sich als Greise mit leuchtenden Gewändern und Kronen vorgestellt hat. Das würde der Einteilung des Himmelsgewölbes in 24 Streifen entsprechen.» (zitiert nach Hadorn, Seite 71).
Diese Herleitung der 24 himmlischen Akteure hat Bruce J. Malina in seinem 2002 veröffentlichten Buch «Die Offenbarung des Johannes - Sternvisionen und Himmelsreisen» weiter erforscht und ausgeführt, allerdings mit einer in meinen Augen einseitigen Fokussierung auf die Astralmythen der Antike. Auch er sieht in den 24 Thronen «Machtpositionen des Himmels», welche auf die Astralgottheiten der Antike zurückgeführt werden müssen und als «Dekane» (vom griechischen Wort deka, zehn) jeweils zehn Grade des Tierkreises beherrschen. Malina verfolgt die Vorstellung der Dekane bis in die Ägyptische Kultur, wo der Himmelskreis in 72 bis 24 Teile gegliedert ist, in der Regel aber in 36 Himmelspositionen aufgeteilt erscheint. Malina zeichnet dann die Reduzierung der Dekane im Hellenismus hin zur Zahl 24 nach, da man dem Tag wie auch der Nacht im griechischen Kulturkreis je 12 Stunden zumass. Auch Jesus fragt: «Gibt es nicht 12 Stunden an jedem Tag?» (Joh. 11,9) Sodann legt Malina dar, wie die Tradition der «Dekane» mit jener der «Ältesten» in Beziehung steht. Und auch er kommt zum selben Schluss, dass es sich bei den Ältesten um jene Kategorie von Thronen, Herrschaften, Fürsten und Mächten handelt, «über die der Messias Jesus in Kol. 1,16 gebietet.

Ausgehend von dieser Ableitung der Ältesten aus den antiken Astralgottheiten, den Dekanen, ergeben sich in der Tat neue Perspektiven für die Sicht der 24 Ältesten, vor allem, war ihre Beziehung zur Schöpfung betrifft. Denn die Vorstellung, dass Engelmächte in der Schöpfung wirken, war damals Gemeingut. Auch Paulus spricht an mehreren Stellen (Röm. 8,38; 1. Kor. 15,24, Kol. 1,16; 2,10.15; Eph. 1,21 u; 6,12) davon, dass diese Engelmächte die Kreaturen beeinflussen, teils auch negativ. Dionysius von Areopagita, ein angeblicher Schüler des Paulus, hat später die für das Mittelalter bestimmende Engellehre mit drei mal drei Hierarchien entworfen. Nun aber zu Malina, der aus der antiken Astrologie neues zur ursprünglichen Funktion der Ältesten zu sagen weiss:
«Die Dekane sind zwischen dem Himmelsgewölbe und dam äquatorialen Tierkreis lokalisiert, wodurch sie das Gewölbe stützen und die Bahn des Tierkreises abgrenzen. Obgleich von ihnen gesagt werden kann, dass sie die planetarischen Götter begleiten, überragen sie nichts desto weniger die planetarischen Gottheiten. Der Grund dafür ist, dass die Dekane weder planetarische Stationen noch eine rückläufige Bewegung kennen. Vielmehr sind sie über diesen Wandel erhaben, sie sind unumschränkte Astralwesen, die den gesamten Kosmos im Verlaufe eines Tages und einer Nacht umfassen und über alles wachen. In der Johannesoffenbarung sieht der Autor die Dekane als 24 Älteste um den Thron Gottes. In dieser Weise werden die Dekane aus einer israelitisch fundierten Perspektive betrachtet und an sie angepasst. Sie bewahren so auch ihre frühere astronomische Würde, denn in früheren Vorstellungen von den Dekanen wurden sie als Wächter und Retter des ganzen Kosmos verstanden, d.h. sie hatten denselben Rang wie die höchsten Astralgottheiten, waren mächtige Wesen und rangierten nur hinter den höchsten Göttern oder dem höchsten Gott. Es scheint, dass die Ältesten hier genauso verstanden werden, jetzt freilich in einem monotheistischen Kontext.» (Malina Seite 111)

Welche Bedeutung haben die 24 Ältesten für den christlichen Glauben?
In der gängigen kirchlichen Glaubenspraxis spielen die 24 Ältesten kaum mehr eine Rolle. Dem war aber nicht immer so. Noch das Mittelalter hat diesen erhabenen Gestalten in der Thronvision des Johannes viel Aufmerksamkeit geschenkt. In der darstellenden Kunst sind sie ein häufiges Motiv. Hingegen hat die moderne Theologie nicht mehr die geistige Kraft gehabt, die Tradition der 24 Ältesten für die neue Zeit plausibel zu machen. Nach der Behandlung sämtlicher Erklärungsversuche seiner Zeit überträgt Wilhelm Bousset seine eigene Ratlosigkeit auf den Seher Johannes: «Wir werden nach alledem anzunehmen haben, dass der Apokalyptiker ein uraltes traditionelles Bild einfach herüber nahm. Dass er es nur noch halb verstanden hat, beweist, dass er den Ältesten zugleich priesterliche Funktion verlieh. Man war eben von alters her in weiten Kreisen gewohnt, sich Gottes majestätische Herrlichkeit und seinen Hofstaat unter diesem Bilde vorzustellen, und darüber was die «presbyteroi» ursprünglich bedeuteten, hat man sicher nicht mehr nachgedacht.» Schon damals, so verstehe ich Bousset, hätte die Funktion der Ältesten nur noch darin bestanden, den Himmel mit einer herkömmlichen Kulisse zu füllen und die Schau als Thronvision auszuzeichnen. Etwas mehr Sinn für die Schau des Johannes hat W. Hadorn in seinem 1928 veröffentlichten Kommentar, obwohl er in vielem wie Bousset denkt: «Für die Alten war der sichtbare Himmel des Tages und mehr noch der Nacht Abbild des unsichtbaren Himmels der Gotteswelt. Wie nahe lag da auch die Personifikation der 24 Stunden durch die Gestalten der ewigen Greise, die auf Thronen im Umkreis sitzen und dem Höchsten Anbetung darbringen, wie tief der Gedanke: Gott im unendlichen Raum umgeben von der unendlichen Zeit!» Allerdings kann und will er in seinem Kommentar nicht weiter gehen und Wege zeigen, welche Rolle die Ältesten für den christlichen Glauben spielen könnten. Er stellt bloss besorgt die Entvölkerung des Himmels fest. «Diese Schilderung der Himmelswelt, aus der die Dichter unsere besten Glaubenslieder geschöpft haben, … ist für Johannes nicht «nur» fromme Poesie, sondern entspricht einer geglaubten Wirklichkeit. Für ihn thront Gott auch nicht in einer absoluten Einsamkeit, sondern ist er umgeben von Wesen und Gestalten, ist er kein abstrakter Begriff, auch nicht bloss «Urquell des Lebens», sondern Persönlichkeit. Ob die von der Aufklärung begonnene und durch die neuere Kritik vollendete Austreibung der Engel aus dem Paradies der Himmelswelt und ihre Verweisung in die Märchenwelt der legendären Spukgeister Gewinn für die Religion war, bleibe dahingestellt. Die Konsequenz hat viel dazu geführt, ausser und über dem Menschen nichts mehr anzuerkennen, auch nicht den einsam gewordenen Gott, noch endlich die Gottesidee.» (Seite 73). Neuere Kommentare enthalten sich solcher Meinungen. Im Bezug auf die 24 Ältesten bringen sie im Wesentlichen wenig Neues. Wo auf die 24 Ältesten eingegangen wird, werden sie meist als Bild der Seele gedeutet, als Archetypus, welcher auf die Menschen beflügelnd, ermunternd und tröstend wirken kann. In diesem Sinne sind die Ältesten keine metaphysischen Kräfte wie Gott, sondern eine Hypostasierung der irdischen Hoffnung. Der Befreiungstheologe Pablo Richard (Apokalypse - das Buch von Hoffnung und Widerstand, Edition Exodus, Luzern, 1996) erklärt die Ältesten in dieser Weise: «Die Ältesten symbolisieren im weitesten Sinne die befreite Menschheit: die heilige Menschheit, die keine Götzen mehr anbetet und die sich für das Leben entschieden hat. Im engern Sinne repräsentieren sie das Volk Gottes, das Volk der Martyrer, welche die Macht erhalten, das Reich Gottes aufzubauen, und die Priester vor Gott sind (1, 6; 5, 10). Die Zahl 24 stellt das Volk in seiner Ganzheit dar: das Volk aus den zwölf Stämmen Israels und das Volk der zwölf Apostel … Subjekt der Geschichte ist in der Johannesapokalypse nicht nur die Menschheit (die vierundzwanzig Ältesten), sondern auch der Kosmos (die vier Lebewesen). Sowohl die befreite Menschheit wie auch der Kosmos nehmen teil an der Liturgie des Himmels und singen zum Schöpfergott.» (P.Richard, 104)
Im folgenden dritten Teil versuche ich die 24 Ältesten als metaphysische Grösse ernst zu nehmen.

Zum geistigen Verständnis der 24 Ältesten:
Eine christliche Sicht des Kosmos und seiner Kräfte

Meiner Ansicht nach ist die Thronvision des Johannes bis in alle Einzelheiten christliche Offenbarung, Offenbarung Jesu Christi. Johannes war zum einen durchdrungen von der Schau des Menschensohns, zum andern kannte er die antiken Geisterwelten, sofern sie auch im Judentum ihren Niederschlag gefunden haben. In seiner Schau, zu welcher der Menschensohn Johannes in den Himmel hinauf ruft, kristallisieren sich in der Seele des Johannes jene Bilder, welche Christus als Herr im Kosmos der Geister zeigt. Und die Bilder bewegen sich zu dem christlichen Urmysterium, in welchem die Kreise der Geister sich in den Dienst des Lammes und dessen Mission stellen.
Das damals im hellenistischen Kontext sich gestaltende junge Christentum fand in diesen Bildern eine präzise Vorstellung von Gottes Herrschaft durch den wiederkommenden Menschensohn, der durch seine opferbereite Hingabe würdig ist, die Geschicke der Weltzukunft zu leiten. Die für antike Menschen relevanten Himmelskräfte werden neu ausgerichtet gleich Eisenspänen, die durch einem Magneten sich ausrichten oder durch einen neuen Klang ein neues Klangbild erzeugen. Das ist im Wesentlichen das Neue Lied, in das alle Kreaturen und die ganze Schöpfung einstimmen. Die Neuausrichtung des geistigen Kosmos lässt sie allesamt dem neuen Weltenklang, der durch Christus erschallt, freudig zustimmen: «Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.» (Apk. 5,8f)

Obwohl die Apokalypse Gott auf einem Thron sitzend beschreibt - wenn auch zurückhaltend, und auch wenn die Kunst den Schöpfer oft bildhaft als alten Mann abbildet, so wird doch kaum jemand glauben, dass dieses Bild naturalistisch Gottes Aussehen umschreibt. Es handelt sich hier um Imaginationen, um Bilder der Seele, durch welche die Funktionen und Eigenarten des an sich geistigen Gottes visualisiert und erlebt werden.
Nicht anders muss man die 24 Ältesten auf ihren Thronen mit weissen Kleidern und goldenen Kronen sehen. Diese Beschreibungen sind Bilder, welche das Wesen dieser Geistmächte anschaulich und erlebbar machen.
Die Transformation dieser Seelenbilder in geistige Gedanken, welche in anderer Weise eine Annäherung an diese Wirklichkeiten ermöglichen, haben schon die frühesten Philosophen in der Antike vollzogen. Ernst Lohmeyer, der wie Gunkel aus der religionsgeschichtlichen Schule kommt, zitiert in seinem Kommentar von 1926 im Zusammenhang mit den 24 Ältesten eine Lehre der Pythagoräer: Auch «wenn die Zahl 24 astraler Herkunft ursprünglich ist, so hat sie sich doch längst davon gelösst und ist zum Bild des Kosmos geworden, wie Aristoteles, Met. 1093 b zeigt, der als Lehre der Pythagoräer von den 24 Buchstaben des Alphabetes und von den 24 Tönen des Aulos berichtet: «Gleich ist der Zwischenraum sowohl in den Buchstaben von Alpha bis Omega wie von dem Bombyx (= tiefster Ton) bis zum letzten und höchsten Ton auf dem Aulos, dessen Zahl gleich ist der Totalität des Himmels.»
Die Pytagoräer suchten die Urkräfte des Kosmos samt ihrer Gesetze und ihrer Totalität für den Schüler der Philosophie erlebbar zu machen, indem sie die in jeder Kultur anders gestalteten und überlieferten Göttermythen auf eine mathematisch exakte und geistig erfahrbare Masseinheit zu reduzieren versuchten. Die von der Seele als kleiner Kosmos und Abbild des grossen Kosmos erfahrbare Harmonie in der Musik galt als solcher Weg, ebenso die Buchstabenmystik, welche später von der Kabbala ausgeführt worden ist.

Nun muss beachtet werden, dass die hier erwähnte Bedeutung der 24 Töne oder Worte, welche die Totalität des Himmels nicht mehr mythisch, sondern «logisch» erfahrbar machen, einen astralmytischen Hintergrund haben. Sie sind die im Mythos personifizierten Götter, die von der Philosophie «entmythologisiert» und auf geistige Entelechien zurückgeführt werden. Bereits das Johannesevangelium hat die hebräische Tradition der Sieben-Tage-Weltschöpfung durch die Elohim (Gen. 1) christologisch umgeschrieben und die bei der Schöpfung wirksamen Kräfte Gottes im Logos zusammengefasst: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe geworden …» Joh. 1, 1-2. Beim Anthroposophen Fred Poepping (Die Apokalypse des Johannes als Schulungsbuch) fand ich diese Würde des Christus, Träger des Weltenwortes zu sein, in Beziehung gebracht zu dem 24 Tönen oder Worten, welche aus dem Weltall hereinwirken. Christus habe vor der Schöpfung durch seine selbstlose Hingabe an die Totalität der göttlichen Schöpfermächte diese in sich aufgenommen und so die Würde und Kraft erhalten, als Weltenwort zu wirken und als solches die Geschicke der Weltzukunft zu leiten. Er habe das Weltenwort, das Alpha und Omega, so selbstlos in sich aufgenommen, dass es seine Natur geworden ist, dieses Weltenwort weiter zu schenken, die Menschen auf Erden damit zu inspirieren, es in ihren Herzen aufblühen zu lassen - das im Vergleich zu Luzifer, der ebenso das Weltenwort in sich aufgenommen habe, aber selbstherrlich, dass er es so vermittel, dass es nicht weiterströmt, sondern zum Genuss des eigenen Ich in Gott verführt. Doch auch Luzifer habe mit diesem Tun einen Auftrag im Schöpfungsganzen, indem er die Menschen zum Wagnis, ein selbständiges Wesen zu werden, verführt habe (Mythos vom Sündenfall).
In diesem Zusammenhang ist es nun wichtig zu sehen, dass zwischen Christus, dem Alpha und Omega, dem Weltenwort in Menschengestalt und den 24 Ältesten als Repräsentanten der einzelnen Buchstaben oder Weltenworte (im Bild sind das die Dekane, die personifizierten, aus dem ganzen des Kosmos hereinwirkenden Kräfte) ein Zusammenhang besteht. Die 24 Ältesten wie übrigens auch die vier Wesen, sind Gottes schöpferisches Alphabet, die Urworte oder Urklänge, durch welche aus dem unendlichen All (dem Abbild des geistigen Himmels) alles erschaffen und erhalten wird. Während die vier Wesen (Löwe, Stier, Mensch, Adler) als Kräfte des Tierkreises für die Erschaffung der lebenden Wesen bis hin zum Menschen verantwortlich sind, wirken die 24 Ältesten quasi als Transformatoren, welche das Weltenwort auf das Ziel der Menschenentwicklung hin fokussieren. Ihr ganzes Streben geht dahin, die Menschen auf Erden zu einem priesterlichen und königlichen Geschlecht werden zu lassen. Sie sind zu dieser Aufgabe bereitet, da sie selber all das bereits mitbringen, was für die Gemeinde durch die Leiden der Weltzeit verheissen wird, nämlich das Sitzen auf dem Thron bei Gott, das Tragen von weissen Kleidern und das Tragen der Krone.
In diesem Sinne sagt uns die Thronvision des Johannes, dass die in der Antike verehrten Astralkräfte des Fixsternhimmels nicht nur für die Schöpfung zuständig sind. Wie diese die künftige Menschenwelt repräsentierenden Ältesten erkennen, wie das Lamm die weiteren Geschicke der Welt leiten kann, werfen sie sich nieder und stellen sich in den Dienst dies christlichen Urmysteriums: «Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.» (Apk. 5,8-11)

 
 
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