Der Welt der Wissenschaften, ja auch der Philsophie, fällt auseinander in immer mehr Einzeldisziplinen, Schulen und Richtungen. Das macht sich auch in der Theologie bemerkbar, welche kaum mehr einen gemeinsamen Deutungshorizont voraussetzen kann. Der eine deutet die Apokalypse auf dem Hintergrund der Tiefenpsychologie, andere arbeiten mit soziologischem Werkzeug, das theologisch in diese oder jene Richtung weltanschaulich oder politisch gefärbt ist. Wieder andere setzen auf literaturwissenschaftliche Verstehehenshilfen, jemand entdeckt in der Antike einen neuen Schlüssel usw.
Hier finden sich einige dieser neueren, wissenschaftlichen Auslegungen oder Deutungen der Johannesoffenbarung.
Drewermann, Eugen: Tiefenpsychologie und Exegese, Band II: Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis; Walter Verlag, Olten 1990
Im zweiten Teil dieses 850 Seiten umfassenden Buches geht Drewermann auf die Visionen der Propheten ein und dann auf die Eschatologien und Apokalypsen. Zurecht polemisiert er gegen die Auslegung, die einseitig historische Bezüge heranzieht, um die Bilder zu deuten. In seinem psychoanalytischen Zugang wird er dem inneren Erleben der Bilder von ihrer subjektiven Seite her gerecht, aber damit wird der objektive Gehalt unterschlagen. Für Drewermann existiert dieser gar nicht, ausser es handelt sich um Archetypen, ewige Urbilder, welche im Menschen psychische Prozesse darstellen. So kann Gott nur böse auftreten, weil die Psyche den Archetyp des strafenden Gottes kennt. Damit ist nichts ausgesagt über ein reales göttliches Gericht in der Zeit. (20.7.06)
Raguse, Hartmut: Psychoanalyse und biblische Interpretation – Eine Auseinandersetzung mit Eugen Drewermanns Auslegung der Johannes-Apokalypse. Verlag W. Kohlhammer, 1993
Ich habe in dem Buch nur geschmökert. Die Kritik an Drewemanns Auslegung der Apokalypse scheint mir notwendig, da sich nicht das ganze Buch tiefenpsychologisch deuten lässt. Drewermann verfährt selektiv, deutet nur die Texte, die teifenpsychologische Betrachtungen ermöglichen. Hartmut Raguse , Tiefenpsychologe und PD in Basel, korriegiet und ergäntzt diese Perspektive, indem er die substantielle Parallelität zwischen psychoanalytischer und literarischer bez. bilbischer Hermeneutik aufzeigt.
Hatmut Raguse
hat sich bereit erklärt, im Februar 2007 über die Wirkungsgeschichte der Apokalypse in St.Gallen zu referieren. (19.7.06)
Malina, Bruce J.(Omaha; USA): Die Offenbarung des Johannes – Sternenvisionen und Himmelsreisen, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2002 (übersetzt von Wolfgang Stegemann)
Das Buch, das ich zu Beginn meines Studienurlaubs zu lesen begonnen habe, hat mich anfänglich fasziniert, aber je tiefer ich eindrang, desto mehr Zweifel überkamen mich über den Ansatz: Malina hat Quellen der antiken Astralpropheten (Astrologie als Mysterienwissenschaft und reale Himmelsschau in der Antike) dermassen überbetont, dass ich mir die Herleitung der Bilder aus alttestamentlichen Quellen selber heranziehen musste. Die Texte, die als Astralprophetie kaum deutbar sind, werden übergangen, z.B. die Sendschreiben. Die andern Visionen werden dermassen gepresst, damit sie auf ein astrologisches Bild zurückgeführt werden können, dass ich nicht weiter folgen konnte. Die Apokalypse ist primär innere Schau, nicht Sternenbild-Interpretation. (19.7.06)
Richard, Pablo: Apokalypse – das Buch von Hoffnung und Widerstand, ein Kommentar. Editione Exodus, , Luzern 1996 (Aus dem Spanischen von Michael Lauble)
Auch in diesem Buch des 1939 geborenen Chilenen, das die Buchhandlung Rösslitor 2005 aufgelegt hatte, geht es um eine gesellschafts-kritische Note gegen den Missbrauch der Macht. Richard's Ansatz ist geprägt von der Befreiungstheologie. Die Apokalypse «vermittelt eine Spiritualität des Widerstandes und weist dem Aufbau einer alternativen Welt die Richtung. Sie ist ein befreiendes Buch voller Hoffnung; ihre Utopie ist geschichtlich und politisch.»(19.6.06)
Luzia Sutter Rehmann: Vom Mut, genau hinzuschauen, feministisch-befreiungstheologische Interpretationen zur Apokalyptik.
Elaine Pagels: "Apokalypse – das letzte Buch der Bibel wird entschlüsselt. Verlag C.H. Beck, München 2013, 219 Seiten
Das Buch wurde mir durch ein Google-Alert angezeigt. Es wurde von Deuschlandradio Kultur besprochen (>>> zum Link). Das Buch verspreche, die geheime Offenbarung zu entschlüsseln. Der einseitige Verdienst der Religionswissenschaftlerin liegt aber darin, die historischen Umstände für die Entstehung der Apokalypse erforscht und vorhandene Forschungsergebnisse zusammengestellt zu haben. Auch versucht sie zu erklären, warum gerade die Johannesoffenbarung in die Bibel aufgenommen wurde - andere Apokalypsen seien mit geistigen Übungen verbunden gewesen, welche die Priester erübrigt hätten.
«Nur selten gestattet sie es sich, den akademischen Duktus zu verlassen - und dann erhält man eine Ahnung davon, was möglich gewesen wäre, hätte Pagels sich etwas weniger auf die historischen Hintergründe und etwas mehr auf die psychologische Dimension eines Textes konzentriert, dessen eindrückliche Bildsprache bis heute wirkt.» (19.8.2013) >>> zum Beitrag von Deutschlandradio Kultur