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Tagebucheinträge zur Johannesoffenbarung: Jan. bis März 2006

18. bis 23. Januar 2006

Arbeit am Kirchenboten «Islam und Christentum»

Die Arbeit hat mich wieder. Glücklicherweise habe ich meine Texte schon in der Türkei geschrieben. An der Besinnung über «Das Lamm Gottes» feile ich bis zuletzt, den Schluss schreibe ich mehrfach um. Ich gehe nämlich kaum darauf ein, wie heute ein solches Symbol zu lesen, zu verstehen ist.
Der Haupttext «Was hat das Christentum in der Türkei verloren» musste gekürzt werden. Die Idee, anhand der sieben Gemeinden das Christentum in der Türkei zu thematisieren, finde ich originell, doch ich bin unsicher, wie viel Leute die Anspielungen an die Sendschreiben erkennen. Doch das ist auch nicht unbedingt nötig. Steffen Klatt liesst seit langem wieder einmal einen Text von mir. Ich hatte Kritik erwartet, doch er lobt den Text für seine Aktualität. Die Türkei und der Islam interessiert.
Den neuen Kirchenboten bringe ich dann auch auf das world wide web (WWW):
>>> zur aktuellen Ausgabe des Kirchenboten

Mittwoch, 25. Januar 2006

Neuzeit und Apokalyptik

Gestern war nach der Gesangsstunde bei Franziska Schildknecht in Winterthur beim Anthroposophischen Zweig in Winterthur. Ich wollte den Referenten, Prof. Karen A. Swassjan aus Armenien kennen lernen. Er bot «Betrachtungen über den deutschen Geist». Ich bin beeindruckt, wie persönlich, frei und mit grossem Wissen der «Orientale» die Mission der deutschen Philosophie erfasst. Dass die deutsche Kultur für Engländer und Franzosen bis ins 18. Jh. als barbarisch galt, war mir gar nicht bewusst. Mit Goethe gewinnt die Deutsche Kultur schlagartig Aufmerksamkeit. Aus ganz Europa kommen sie herangereist, um die deutschen Philosophen zu hören. Viel neues erfahre ich über die Tragik des ersten Weltkrieges. Nicht nur unzählig viele junge verheissungsvolle Menschen fielen. Auch der Beitrag des philosophischen Erbes, und dem, was daraus hätte werden können, bricht ab.
Er geht um die Begründung des Menschen. Die alte, lateinische Kultur hat den Menschen theologisch aus Gott abgeleitet, die neue, aus England stammende Naturwissenschaft begründet den Menschen aus der Natur, aus dem Tier (Darwinismus). Die Mission der deutschen Philosophie war es, den Menschen aus dem Menschen selbst zu erklären.
Da fühle ich mich zurückerinnert an meine theologische Schlussarbeit: Christus, Grundstein auch der Wissenschaft - ein Versuch, die Religion mit der Wissenschaft zu versöhnen, ausgehend von der Philosophischen Anthropologie I.P.V.Troxlers.
Troxler war ein Philosoph, der aus der deutschen Romantik kam, von Schelling her. Er hat wie die andern Idealisten und Romantiker über Kant hinauskommen wollen, indem er die Religion in das Wissen hinein nimmt. Doch anders als Hegel oder Fischte hat er Kant nicht spiritualisiert im Ich oder im Geist. Troxler hat Kants Anliegen von der mündigen Erkenntnis so religiös vertieft, dass dabei das ganze Menschsein aufgenommen wird. Er hat die Erkenntnis und den Menschen aus dem Gottmenschen begründet, aus dem inkarnierten Logos. Troxler hat seine philosophische Anthropologie letztlich aus der inneren Erfahrung der Menschwerdung Gottes begründet, nicht aus der Tradition, nicht aus der Schrift - vielmehr aus der Offenbarung, welche Offenbarung Gottes im Menschen wird. Doch die darin entworfene Metaphysik und Logik konnte auch Troxler nicht mehr mit den aufkommenden Naturwissenschaften verbinden. Sein Werk wurde vergessen - bis heute.
Ob Religion, ob gar Christentum tatsächlich universalisierbar ist? In der Zeit von 1780 bis 1840 haben das viele grosse Geister gemeint. Troxler sah seine philosophische Anthropologie (mit Metaphysik und Logik) als Leitwissenschaft für alle Fakultäten, als Studium generale, das alle Zweige des Wissens trägt. Das Wissen um den Menschen sollte Himmel und Erde verbinden, Zukunft und Vergangenheit. Der um seine «in Gott verborgene Menschheit» wissende Akademiker sollte so die Universität zum Tempel des Geistes machen.

Ich bin erneut fasziniert von dem Geist dieser Zeit und meine, dass dieses Erbe geläutert wieder hervorkommen wird. Dabei frage ich mich, warum ich mich mit alten orientalischen Bilderwelten, ich meine die Apokalypse, herumschlage.
Sollte es möglich sein, dass in diesen Bildern die Freiheit des Individuums und dieses künftige Zeitalter des Geistes bereits geschaut, in Bildern vorgezeichnet ist. In diesem Sinne müsste ich auf das Menschenbild der Apokalypse achten. Gibt es da Bilder für das Werden der Individualität, für das Sein des Einzelnen in der Welt und bei Gott?
Spontan kommen mir folgende Bilder in den Sinn:
- «Priester und König für Gott» sein
- Weisse Kleider tragen
- Essen von den Früchten des Lebensbaumes
- Mitrichten, Mitregieren
- Essen am Tisch mit Christus
- Christus wird unsern Namen bekennen

Donnerstag, 26. Januar 2006

Die Arbeit an der Apokalypse geht weiter

Dölf Weder, unser Kirchenratspräsident, hat mich schon im Vorfeld darauf aufmerksam gemacht: In der Regel nehmen sich die Leute für den Studienurlaub zu viel vor. Ein Viertel davon wird realisiert.
Das ist realistisch eingeschätzt. Von den vorgenommenen Projekten sind einige liegen geblieben, andere haben in Vorarbeiten Gestalt angenommen und motivieren zur Weiterarbeit. Im Ganzen zeigte sich die Arbeit an der Homepage johannesoffenbarung.ch als wichtiges Hilfsmittel, meine Arbeit an der Johannesoffenbarung zu sammeln, zu ordnen, zu bündeln und zugleich gegen aussen zugänglich zu machen. Zwar bin ich dort mit der Auslegung nur bis zum 7. Kapitel gekommen, viele Angaben in der weiteren Navigation sind noch bruchstückhaft, auch zu den sieben Gemeinden fehlen noch viele Angaben.
Doch ein Anfang zum weiterführenden Projekt «Unterwegs mit der Johannesoffenbarung» ist gemacht. Ein Anfang, auf dem ich aufbauen kann. Ich habe auch Lust und Freude, an dem Thema zu bleiben. Das ist ein gutes Zeichen.

Am Abend treffe ich mich mit Steffen Klatt. Seit langem sitzen wir wieder einmal eine Nacht zusammen. Ich erzähle viel aus der Türkei und er fragt nach … über Pergamon, über den Geist der Apokalypse, über die Rolle der sieben Gemeinden in der Offenbarung …
Und er ermuntert mich, aus meinen Reiseberichten ein Buch zu machen. Die Texte seien frisch, echt, lebendig - anders als man es von mir gewohnt sei. Er sieht folgendes Konzept: Ein erster Teil gibt eine Einführung in die sieben Gemeinden, geschichtlich, theologisch, kirchengeschichtlich. Dann folgen die Sendschreiben und schliesslich die Reiseberichte.
Ich kann mich mit dem Gedanken kaum anfreunden, denn ich habe höhere Ansprüche. Für mich sind die Texte aus den Gemeinden zu zufällig, auch stets unterbrochen durch eigene Studien und Überlegungen zur Apokalypse. Er meint, dass das gerade den Reiz und die Echtheit der Texte ausmache. Es sei nichts konstruiert, gewollt, gekünstelt - da wird life berichtet, was tatsächlich geschehen ist. Für Steffen die Begegnung mit der Türkei wichtig und interessant, dann ist da im Hintergrund mein theologischer Horizont, der in vielen Beschreibungen durchkommt, nicht aufdringlich, sondern an den Begebenheiten selbst expliziert. So sei meine Theologie erträglich.
Mich überzeugt das Projekt kaum. Ich müsste noch viel daran arbeiten. Er meint, dass ich genau das lassen müsste. Das könnte ein Redaktor auch übernehmen.

Freitag, 3. Februar 2006

Tagebücher zur Apokalype

Heute Vormittag beginne ich mit dem Nachtrag der Arbeitsjournale. Ich widme mich den Tagebucheinträgen vom Juli 2006. Dabei muss ich auswählen. Was gehört in dieses Arbeitsjournal zur Apokalypse? Was ist privat? Wo ist die Grenze? Was hat noch mit meiner Arbeit an der Apokalypse zu tun? Ich notiere auch einige Träume, die von meiner Beziehung zur jenseitigen Welt handeln. Ich meine, dass eigene Erfahrungen mit der Jenseitswelt grundlegend sind für das Verständnis der Apokalypse.
>>> zum Arbeitsjournal Juli 2005

Meine Kernkompetenzen richtig einschätzen

Am Abend bin ich bei Andreas Fischer eingeladen, von dem heute ein guter Text über Bonhoeffer im Tagblatt zu lesen war. Bei ihm zu Gast sind Fredy und Silvia Bollag mit einer usbekischen Schülerin. Der Sufi-Scheich hat mit uns seine Gebete und Rituale geteilt, wir assen ein usbekisches Reisgericht.
Dann sitzen Naomi Giewald, Andreas Fischer und ich noch zusammen in einem Restaurant. Wir kommen auch auf meinen Studienurlaub zu sprechen und auf das, was daraus erwachsen soll. Naomi, der Grafikerin, erzähle ich von meinen Ideen, den Text der Apokalypse zu gestalten und zu illustrieren. Andreas Fischer hat Zweifel, ob das meine Kernkompetenz ist. Es gibt Fotografen, die besser fotografieren als ich. Es gibt Zeichner, die besser illustrieren als ich. Es gibt Layouter, die dieses Handwerk besser verstehen als ich. So spricht Andreas Fischer - zu Recht. Ich erzähle von den damit verbundenen Ansprüchen. Ich müsste täglich eine Stunde zeichnen, um meinen Stil zu entwickeln. Denn um die Apokalypse zu illustrieren, muss man Engel, Tiere Menschen … zeichnen. Damit ich das souverän kann, ist viel Übung nötig. Meine Stärke könnte in der Bildkomposition liegen, da ich die theologischen Hintergründe ausführlich studiere. Ich erwähne Beckmann, der wild und schnell gezeichnet hat.
Die kritischen Nachfragen von Andreas fordern mich heraus, ein oft vorgestelltes und immer weiter ausgemaltes Projekt vorzustellen: Das Projekt, zusammen mit Künstlern an der Apokalypse zu arbeiten, z.B. eine Woche intensiv in einer Retraite, dann über ein Jahr sporadisch, um schliesslich illustrierte Apokalypsen heraus zu geben und bei einer Vernissage mit Musik von Ruedi Lutz zur Apokalypse die Bilder zum Verkauf anzubieten.
Auch der Bereich Erwachsenenbildung könnte ausgebaut werden, mit Vorträgen oder Reisen zu den sieben Gemeinden.
So bestärkt mich das Gespräch, die Apokalypse in Zusammenarbeit mit Experten der Kunst öffentlich zu machen. Ich muss nicht eine Einmann-Show bieten und alles selber machen. Ich rege an, ermögliche, organisiere, manage und fördere die geistigen Grundlinien.
Andreas Fischer formuliert für mich auch klar, woraus ich diese Kompetenz gewinne. Obwohl er der Anthroposophie abhold ist und damit nichts anfangen kann, schätzt er meinen Beitrag, den ich von dieser Seite in die Theologie einbringe. Und er realisiert, dass da Fragen behandelt werden, auf welche viele Menschen Antworten suchen. Er spricht es klar aus, dass hier meine Kernkompetenz liegt: In der Verbindung von Anthroposophie und Theologie.

Apokalypse, Islam und Moderne

Natürlich sprechen wir an diesem Abend auch über die islamische Welt, die sich in diesen Tagen über die Mohamed-Karikaturen entrüstet und ein grosses Medienecho auslöst. Andreas ist da radikal. Er verteidigt die Freiheit unserer Kultur bis aufs Letzte und sieht darin das Erbe von Jesu Botschaft. Naomi erzählt von einer Muslimin, die von einem indischen Brahmanen Folgendes erfahren hat, dies aber kaum verstanden hat: Der Westen, vor allem Mitteleuropa, sei in der begnadeten und privilegierten Lage, die Freiheit des Ich mit dem Reichtum der religiösen Traditionen in Beziehung zu setzen. Der materielle Wohlstand und die Gunst der Zeit gebe dazu die Basis. Das sei ein Privileg, das nicht zu unterschätzen sei.
Andres Fischer unterstützt dieses Votum. Es wird bestärkt durch die aktuelle Stimme des Islams, der sich im Konflikt um die Karikaturen dogmatisch, fundamentalistisch und unfrei gebärdet. Davon ausgehend bricht Andreas in ein energisches Votum aus, in dem er den kritischen Umgang mit so genannten «Heiligen Schriften» verteidigt. Diese Heiligkeit leugnet er. Heiligkeit erweise sich in der Realität, könne diese aber nicht «an sich» beanspruchen.
Er spricht so über die Apokalypse und über den Koran, dass es mich im Herzen sticht. Andreas plädiert für radikale Textkritik. Er ist entrüstet darüber, dass ich den Evangelisten Johannes als Autor der Johannesoffenbarung sehe, dass ich dem manichäischen Dualismus dieser Schrift folge und nicht die wahre Stimme Jesu allein aus den Gleichnissen erkennen kann. Ich verteidige meine Position, indem ich die kleinen Apokalypsen in den Evangelien erwähne. Auch diese gehen gemäss Andreas nicht auf Jesus zurück. Doch ich lasse nicht nach. Ich bin überzeugt, dass auch Jesus endzeitliche Lehren mit apokalyptischer Note vor seinen Jüngern vertreten hat.
Jesus konnte wohl kaum wie Bonhoeffer eine diesseitige, nichttheologische Gotteslehre vertreten haben. Ich bin überzeugt, dass er die religiöse Sprache seiner Zeit gebraucht hat, um seine eigentliche Mission verständlich zu machen. Er war - um für seine Leute verständlich zu sein - ein Kind seiner Zeit. Apokalyptisches Reden war ihm nicht fremd. Er verstand sich als der Menschensohn. Indem er diesen Begriff gebraucht hat, stand er mitten drin in einer apokalyptischen Tradition, die wir heute neu verstehen müssen und seine Botschaft daraus finden müssen - im Blick auf sein Leben als Heiler, als Lehrer, als Messias, als Gekreuzigter, als Auferstandener, als Spender des Geistes, als der, welcher uns eine Wohnung bereitet und der kommt in den Wolken des Himmels.

Samstag, 4. Februar 2006

Die Facundus-Handschrift

Schon vor Tagen habe ich damit begonnen, über die Facundus-Handschrift des Beatus-Apokalypsekommentars zu lesen, so aus dem letzten Band der «Dia-Bücherei» von Jörg Zink. Erstmals erfahre ich Genaueres über die Hintergründe dieser exzellenten spanischen Illustration der Apokalypse im 10. Jahrhundert. Die Mönche hatten sich im islamischen Spanien in den Norden zurückgezogen, wo sie in kaum zugänglichen Gebieten Angesichts der Bedrohung die Apokalypse studiert und illustriert haben.
Ich will an diesem Buch und den Facundus-Bildern bleiben. Sie sollen aufs Netz kommen. Noch bin ich unsicher wegen der Bildrechte. Ich habe alle Fotos fotografiert und schon in der Türkei in das rechte Format gebracht. Jetzt sehe ich, dass ich mit dem Scanner wohl eine bessere Qualität der Farben erreicht hätte. Doch ich mache die Arbeit nicht erneut. Die Gelbtöne sind alle zu grell, da ich an der Sonne fotografiert habe.

Samstagnacht und sonntags arbeite ich an der Darstellung der Facundusbilder. Das Resultat ist eine Seite der Internetplatform, die mir gefällt. >>> zu den Facundus-Bilder (Beatusapokalypse) 10. Jh.

Samstag, 11. Februar 2006
Mit meiner 75-Prozent-Anstellung sollte ich eigentlich 25%, d.h. während einer Woche weiterhin an meiner Apokalypse arbeiten können. Doch ich betreue auch viele Ehrenämter. Derzeit läuft der Vortragszyklus «Gott sehen» des Evang.-ref. Forums St.Gallen. Ich präsidiere den Verein und am Präsidenten liegt traditionsgemäss die Organisation und Betreuung der Anlässe. Mir macht die Arbeit Spass, aber sie ist aufwändig: Das Ausarbeiten des Themas und des Programms, Suchen der Referenten, die Werbung, das Prospekt, dann die Anlässe selbst.
Am letzten Montag hat Regine Schindler referiert zum Thema: «Wie Kinder Gott sehen lernen», am kommenden Montag kommt Georg Schmid uns spricht über das Gottesbild der Mystik.


Sonntag, 12. Februar 2006

Die letzen Dinge: Mohammed, der letzte Prophet

Derzeit bin ich intensiv mit dem nächsten Kirchenboten beschäftigt. Auf der letzten Seite läuft die Serie «Die letzten Dinge», über die ich mir den Kopf zerbreche.
Meine Kommission hat während meines Studienurlaubs ein Konzept für die letzte Seite während dem Jahr 2006 verabschiedet: Die letzte Dinge - alltagsnah abgehandelt.
Nun hat mich das Thema für die nächste Nummer «Den letzen beissen die Hund» oder «die Ersten werden die Letzen sein» nicht ganz befriedigt.
Gestern kam mir die Idee, dass wir auf die aktuellen Auseinandersetzungen um die Mohammed-Karrikaturen reagieren müssen. Aber wo? Da kam mir das Stichwort: «Der letzte Prophet», was ja für den Islam grundlegend ist und etwas mit letzen Fragen zutun hat. Immerhin bestimmt dieser letzte Prophet für die Muslime die göttliche Ordnung auf Erden bis an das Ende der Welt.
Zudem glaube ich, dass es in der ganzen Debatte weniger um das Bilderverbot geht, sondern vor allem um die uralte Verletzung der Muslime, dass wir ihren Prophet nicht ernst nehmen. Ich bin in der Türkei oft darauf angesprochen worden, ob denn Mohammed für uns auch ein Prophet ist oder warum uns seine Botschaft nicht interessiert.
Darum meine ich, dass es gut wäre, wenn wir auf der letzen Seite des Kibo die Sensibilität und Frage nutzen und in einer christlichen Zeitung schreiben, was es auf sich hat mit dem «letzen Propheten».
Muslime deuten dieses «letzter» als den aktuellen und bis in alle Ewigkeit gültigen Propheten. Mohammed hat das Gesetz gebracht, das jetzt gilt. Das wurde mir in der Türkei oft an Beispielen aus dem Recht erklärt: Wir können uns nicht auf Gesetze berufen, die vor 20 Jahren revidiert worden sind. Es gelten die letzen Gesetze. Insofern hat auch Mohammed für die Muslime eine eschatologische Funktion - und für uns? Ist er Gegner? Prophet? Ein religionsgeschichtliches Phänomen? Motivator für Gewalt? Was ist er? Was wollte er? Hat er einen Auftrag von Gott? Welchen?
Eine protestantische Stellungnahme ist gefragt, z.B. in der laufenden Rubrik über die letzten Dinge - alles eher sehr kurz.
Ich dachte zuerst, das selber zu machen. Aber die Zeit wird knapp, ich müsste doch noch viel lesen und für mich als Redaktor ist es gut, nach der Türkeinummer hier jemand anderem die Stimme zu geben.
Lange habe ich gestern mit Frank Jehle über dieses Konzept gesprochen. Ich hätte es gerne gesehen, wenn er die Seite gestaltet hätte. Frank Jehle ist nicht abgeneigt, aber auch unsicher, ob in dieser Kürze ein so gewichtiges Thema abgehandelt werden könne. Wir reden über die Prophetie, wie sie im Judentum (von Mose bis Esra) gesehen wird, wie im Christentum (Zwingli wurde als Prophet gesehen, noch stärker hat der linke Flügel der Reformation prophetisch gedacht, bei Paulus ist Prophetie eine Gnadengabe …)
Im Grunde interessiert mich das Thema selber. Ich habe am Donnerstag zwei Bücher im Rösslitor über Mohammed gekauft. Andreas Fischer fand die Idee mit der letzen Seite über Mohammed gut, er hat mich dazu ermuntert.
Nun habe ich über das Wochenende - statt am Kirchenboten zu arbeiten - mit der Lektüre eines dieser Bücher begonnen und kam schon recht weit. Erstmals erhalte ich genaue Auskunft über die Überlieferungsgeschichte zu der Biographie Mohammeds. Schockiert hat mich die Rezeption im Abendland. Erst in der Aufklärung und dann in der modernen Forschung wird man dem Religionsstifter einigermassen gerecht. Eine echt religiöse Rezeption hat noch kaum stattgefunden. Auch las ich mit grossem Interesse von den Geschehnissen im 6. Jh., dem Umkreis um Mohammed, seiner Frau, seinem Ringen, die Offenbarungen zu verstehen und einzuordnen.
Wie ich dann diese letzte Seite zu schreiben versuche, merke ich die Berechtigung von Frank Jehles Bedenken. Vor allem mein Text «Mohameds in der Sicht der Christenheit» schneidet vieles an, das eigentlich ausgeführt werden müsste. Auf die Kürze können gerade mal die alten Vorurteile aufgezählt werden. Ich stosse auch auf die Textstelle 1. Joh. 2, 22, wo der Antichrist mit der Leugnung des Sohnes in Beziehung gebracht wird. Idea-Spektrum hat diesen Satz nach dem 11. September 2001 auf die Titelseite gesetzt.
Als ich heute Abend im Gottesdienst Natascha Hausammann die Lieder von inniger Liebe zu Christus singen höre, ich aber ebenso angesprochen werden von den reinen Lobpreislieder an Gott, meine ich, dass beide religiösen Positionen ihr Recht haben, wobei einmal - im Islam und im Judentum - die Sohnschaft abgelehnt wird, um ganz Gott zu ehren, das andere mal aber in Jesus Christus der Blick auf Gott in grosser Kraft und Liebe aufgeht.
Kurz vor dem Gottesdienst schrieb ich einen ersten Entwurf für das Editorial zum Thema Menschenrechte, dass diese Errungenschaft der Aufklärung und der Vernunft sich nicht als neue Religion und Weltmacht aufspielen könne. Darüber wachten die Fundamentalismen in den Religionen, welche die eigene Wahrheit der Offenbarung hüten - auf der Seite des Islams wie auch bei den Christen. Diese Spannung gilt es auszuhalten in Liebe und in Toleranz: dass die Muslime die Sohnschaft leugnen, und dass die Christen vom Pseudopropheten, ja vom Antichrist sprechen. Soll das besser gar nicht ausgesprochen werden? Ist diese Wahrheit zu hart, um sie zu ertragen. Sind die Menschen reif, damit umzugehen?
Das sind Fragen, die mich heute im Gottesdienst umtreiben. Und ich sehe auch die Aspekte, inwiefern die Menschen damit nicht umgehen können und sich in die Haare geraten. Das kann apokalyptische Ausmasse annehmen, wie es in der Johannesoffenbarung nicht weniger als im Koran ausgeführt wird. Der «clash of civilisations» ist programmiert, wenn nicht die Aufklärung, die Vernunft und die Menschenrechte, in den Seelen quasi zu einer Zeitreligion werden, welche die erste Religion relativiert und in ihrer Absolutheit bändigt. Das war heute mein Gefühl.

>>> zum meinem Text über Mohammed im Kirchenboten 3/2006, Seite 16

 

Freitag, 17. Februar

Menschenrechte und Apokalypse

Hinter mir liegen intensive Arbeitstage mit dem Kirchenboten 3/2006. Heute habe ich die letzen Seiten in die Druckerei geschickt - ausser dem Editorial und der letzen Seite, die ich allerdings schon vor einer Woche geschrieben habe. Ich will mir nun das Wochenende Zeit nehmen, diese Texte noch zu verfeinern.
Wie ich heute meine Arbeit zum «letzten Propheten» lese, stelle ich fest, dass daran nicht mehr viel zu ändern ist, noch einige Korrekturen und Ergänzungen. Ebenso das Editorial zum Thema Menschenrechte. Heute Abend lese ich das Vorwort von Prof. Peter Saladin zum Buch «Menschenrechte - Der Auftrag der Christen für ihre Verwirklichung», Verlag Paul Haupt.
Ich habe das Buch im «Link» Seite 14 empfohlen. Und tatsächlich meine ich, dass es zum Thema Menschenrechte etwas Grundlegendes bietet - eine populäre Erklärung und Anwendung aus der Sicht des Christentums, von beiden Kirchen 1986 organisiert und von Wissenschaftlern verfasst, die noch das «pädagogische Anliegen» ernst nehmen und auch darin denken.
Wieder frage ich mich im Bezug auf die Apokalypse, wie so etwas «Neuzeitliches» wie Menschenrechte in der Apokalypse vorkommt, Platz dafür einräumt, es begründet.
Denn die Idee der Menschenrechte ist nicht einfach eine zeitbedingte Ideologie. Seit mehr als 200 Jahren ist diese Idee wirksam. Doch «die philosophischen Lehren, auf die sich die Schöpfer der grossen Menschenrechtserklärungen am Ende des 18. Jahrhunderts beriefen, sind heute brüchig geworden. Es ist eine Art philosophisches Vakuum entstanden mit der Folge, dass sich Unsicherheit breit macht in der Frage, warum man sich überhaupt für Menschenrechte einsetzen soll.
Prof. Peter Saladin nennt klar die christlichen Wurzeln: «Die Kirchen haben hier einen besondern Auftrag: Sie haben die Gottebenbildlichkeit des Menschen, wie sie von Gott geschaffen und von Jesus Christus wiederhergestellt worden ist, zu bekennen und zu verkünden. Und in der Gottebenbildlichkeit ist alles Menschliche, das durch Menschenrechte geschützt werden soll, zusammengefasst.»
Ich erinnere mich an das Buch von Friedrich von Weitzäcker zur Begründung der Bewegung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung GFS). Damals habe ich viel über das fluktuierende Verhältnis von Gnade und Tat, von Glaube und Erkenntnis, von religiöser Tradition und neuzeitlicher Erkenntnis nachgedacht.
Und von dieser Frage aus komme ich zur Schlüsselfrage an die Anthroposophie, an Rodolf Steiner, an Herbert Witzenmann: Die Freiheit des Individuums ist der Schlüssel zur Neuzeit. Dank des eigenen Denkens kann der Mensch sich in die Freiheit hinein arbeiten. Doch in dieser Arbeit reüssiert der Mensch nur Dank der Gnade. Wenn er aktiv und frei denkt, so offenbart sich ihm der Nomos, das Gesetz der Welt, der Weltzusammenhang, der im Denken ist. (Heute las ich, dass das, was Mohammed neu zeigen wollte, der Nomos ist - namus). Aber dieser Weltzusammenhang, der sich im Denken dem Ich erschliesst, ist kalt, ist noch nicht die Fülle des Lebens, bloss der Übergang zum Ich, zur Freiheit.
Nun folgt die Verwandlung des ganzen Menschen aus dem Punkt der Individualität, der im Denken gefunden wird. Diese Verwandlung wäre nicht möglich, wenn sie nicht musterhaft in Christus, in seiner Auferstehung, vollzogen wäre. Wenn nicht der Gottmensch sich in dem Nullpunkt des Todes gefunden hätte, um diesen Nullpunkt vorbildlich zur Verwandlung zu kehren, zur Erneuerung der Welt.
So ist im Säkularen das neue Leben geboren, aber es ist gefährdet, in die Erstarrung oder die Erhebung abzugleiten, in Sinnentaumel oder den Wahn der Macht.
Was die evangelikalen Christen und die fundamentalistischen Muslime als satanische Weltmacht, als Imperialismus der Gottlosigkeit an die Wand malen, muss als reale Gefahr erkannt sein, auch die Apokalypse spricht davon.
Terror im Namen der Menschenrechte - das wäre der Gipfel dieses Vorwurfs.

Noch kann ich es nicht sehen, was die Apokalypse mit dem Reicht des Tieres meint und wo dieses Reich heute am ehesten sich kund tut. Ich kann die Fundamentalisten verstehen, welche dieses Reich aufsteigen sehen in der Linie Aufklärung, Emanzipation, Menschenrechte, Weltethos, neue Weltordnung. Die Rechte fabuliert von einer säkularen Weltordnung, welche sich durch Wissenschaft und Markt weltweit durchsetzt und alles echte und tiefe Leben der Kulturen, Religionen und Völker einebnet - und oft wird hinter dieser neuzeitlichen Entwicklung eine Verschwörung des Weltjudentums gewittert. Die christlichen Fundamentalisten wiederum sehen die satanischen Züge dieser neuen Weltordnung in der Gottlosigkeit der säkularen Vernunft, welche weltweit diese Herrschaft trägt. Von daher sind sie dann kritische eingestellt zur UNO und auch zur Erklärung der Menschenrechte, jenem heidnischen Kodex, der die Ordnung von Mose auf dem Sinai ersetzen soll.
Fragen, welche ich im Zusammenhang der Apokalypse in den nächsten Wochen und Monaten studieren will. Ich habe dazu einige aktuelle Bücher gekauft, die vor allem den amerikanischen Fundamentalismus behandeln, dessen Umgang mit der Apokalypse. Dazu gehört «Krieg der Religionen» von Victor und Victoria Trimondi.

 

28. Februar, 2006

Zeitgenössische Kunst zur Apokalypse?

Gestern Abend realisiere ich, dass meine Idee mit Bilderzyklen zur Apokalypse von zeitgenössischen Kunstschaffenden im Moment etwas quer zur Gegenwartskunst steht.

Das kam so: Dorothee Messmer, Kuratorin am Kunstmuseum TG in der Kartause Ittingen, hat gestern Abend im Vortragszyklus des Evang.-ref. Forums «Gott sehen» den vierten Vortrag gehalten. Sie sprach über die gleichnamige Ausstellung in Ittingen: über Ideen, Konzept, Entstehung der Ausstellung, Erfahrungen mit der Presse - und zu Überschneidungen oder Konkurrenzen zwischen Religion und Kunst.
Schon beim gemeinsamen Essen vor dem Vortrag habe ich ihr von meiner Idee oder meinem Wunsch erzählt, zusammen mit etwa 7 Künstlern über mehrere Jahre an der Apokalypse zu arbeiten, um dann sieben Büchlein herauszugeben mit dem Text und den je verschiedenen Illustrationen. Das kam bei der Kuratorin für zeitgenössische Kunst fremdartig an. Die Künstler wollen nicht illustrieren. Sie wollen, wenn man ihnen schon etwas vorgibt, einen offenen Auftrag, etwa Weltuntergang, Ende der Zeit usw.

Emanzipation von der Kirche
Aus dem letzten Vortrag von Johannes Stückelberger (Das Gottesbild in der modernen Kunst) und dem Vortrag von Dorothee Messmer hörte ich heraus, was ich eigentlich wissen könnte. Doch nun wurde es im Hinblick auf die Kunst nochmals klar ausgesprochen:
Lange hat die Religion bei uns, d.h. die Kirche, die Künstler gebraucht. Die Bibel, die Tradition, die Kirche, die Theologie gab der Kunst vor, was sie zu leisten hat. Die Kunst stellte sich in den Dienst der kirchlichen Verkündigung. Ich meine, dass auch die Künstler selber diesen Dienst verinnerlicht hatten. Es ging darum, die von der Religion vorgegebenen Themen, welche die Gesellschaft trugen, immer neu vorzustellen. Die damalige Zeit dachte und erlebte auf dem Boden der Offenbarung.
Der Bruch kam mit der Aufklärung, mit der Moderne. Stückelberger sprach im Zusammenhang mit Landschaftsbildern und abstrakter Kunst von latenten Gottesbildern. Die Künstler zeigen nicht mehr die biblischen Motive, sondern sehen die Urbilder des religiösen in der Natur oder in Symbolen. Die Welt der Erscheinungen und der Phantasie wird Ausdruck und Träger von innern Gottesbildern. Die Autonomie der Kunst wird fast zu einem Dogma.
Es bleiben noch einige Künstler, die sich von der Kirche einspannen lassen, so genannte «Kirchenkünstler» oder «christliche Künstler». Sie gestalten Kirchen bis in die 60er Jahre. Dann hört es so ziemlich auf mit dem Illustrieren. (In dieser Hinsicht freu ich mich auf die Lektüre des kürzlich erworbenen Buches von Friedholm Hofmann: «Zeitgenössische Darstellungen der Apokalypse-Motive im Kirchenbau seit 1945, Schnell&Steiner)
Für angesehene Künstler wäre es eine Blamage, als christlicher Künstler bezeichnet zu werden. Man will in der Kunstszene für alle Seiten offen bleiben, frei, autonom, originell. Künstler können sich nicht nur von der Kirche in Dienst nehmen lassen. Auch der Staat, die Wirtschaft, eine Wissenschaft oder Kultur kann einen Kunstschaffenden quasi kaufen und ihn zu einem der Ihrigen machen. Umgekehrt aber sollen die Künstler sich einmischen und «grasen» auf möglichst vielen Weiden. Sie thematisieren alles nur mögliche, aber immer so, dass sie dabei Tradiertes in Frage stellen, damit spielen und aus der autonomen Subjektivität zu überraschenden Verschiebungen, Erfindungen und Kombinationen finden, welche für die Kunstbetrachtenden eine fruchtbare Herausforderung wird, sich auf einen Weg zu machen mit dem Thema oder den vielen Themen.

Thema der modernen Kunst
Moderne Kunst hat somit alles nur Denkbare und Vorhandene zu Thema, ihr eigentlicher Inhalt, ihre Aussage, ist aber, die Art, wie sie mit diesem «Allem» umgeht. Das wirklich Künstlerische ist das aus der Kreativität des überblickenden Subjekts neue und überraschende Sehen der Welt, das sich in Kunstwerken und Aktionen manifestiert. Nicht mehr das Schöne ist das Wesen dieser Kunst, sondern die überraschenden Möglichkeiten des Menschen, die Kunstschaffende und Betrachtende in dem Kunstwerk erfahren. Diese Feier der menschlichen Freiheit und Autonomie hat aber durchaus auch ihre ästhetischen Kriterien. Dazu gehört, dass man nicht in einen tradierten Stil eingeordnet werden kann, dass im Hintergrund eine moderne, mündige, selbständige Sicht der Welt durchschimmert, und weiter muss diese umfassende Schau originell materialisiert werden.
Wenn nun aber, wie in der Kartause Ittingen, eine Kuratorin Künstler sucht und sie mit einem explizit religiösen Thema konfrontiert, so muss die Ausschreibung wie auch das Konzept der Ausstellung natürlich alle religiösen Traditionen integrieren. Auch die Kunstschaffenden selber bemühen sich, in der Vielfalt der Religionen zuhause zu sein. Traditionen der Religionen werden nicht fortgesetzt, sondern teilweise gebraucht als Hintergrundfolie zur Religionskritik und zur Absetzung, oder es wird mit Elementen der Tradition gespielt. Da und dort werden ganz eigene und neue Sichtweisen auf Gott gefunden, welche scheinbar nichts mit einer religiösen Tradition zu tun haben, aber doch als aktuelle und moderne Sicht Gottes erlebt werden können. Es lassen sich da Linien aufzeigen, wie die Religion selbst sich entwickelt und im mündigen Individuum (das allgemeine Priestertum) reife Formen finden, die als Frucht, als Ergebnis, als Konsequenz aus dem Geist einer Religion gedeutet werden kann. Primär geht es aber hier um Kunst.
Dieses Neue in der Kunst und der Religion ist eine Herausforderung auch für die Presse. Welches Ressort soll die Ausstellung betreuen? Dorothee Messmer meint, dass eigentlich auf der Kunstredaktion Leute sein müssten, welche die theologischen Aussagen der Werke zu sehen hätten. Der Tages Anzeiger schickte Michael Meier, das Tagblatt Daniel Klingenberg, beides Theologen. Diese bemühten sich, der Ausstellung gerecht zu werden, aber sie hätten primär von einem theologischen Blick her die Ausstellung beurteilt. Für Dorothee Messmer spiegeln die Presseberichte über die Ausstellung «Gott sehen» den Trend zum Religiösen in der Kunst, der die professionellen Berichterstatter im Bereich Kunst wie auch im Bereich Religion überfordert.

Bilder zur Apokalypse - unzeitgemäss?
Was aber heisst das nun alles für meinen künstlerischen Umgang mit der Apokalypse? Ist eine kursorische Illustration völlig unzeigemäss? Die Johannesoffenbarung bringt selber einen kunstvoll aufgebauten Zyklus von Bildern. Da drängt sich die Beschäftigung entlang dieser Motive auf. Ich meine, dass die Anspräche der modernen Kunst in den Bildern selber zum Ausdruck kommen müssen, in der Art ihrer Entstehung. Ich merke, wie gross die Versuchung ist, sich an die Motive der Alten anzuschliessen und wie schwierig es ist, eine ganz eigene, ehrliche Sicht der Visionen zu imaginieren und dann auch adäquat darzustellen. Da könnte ich nun von einzelnen Motiven Berichten: von der Erscheinung des Menschensohns, von der Himmelsvision im 4. und 5. Kapitel, dann die vier Reiter, oder die himmlische Jungfrau. Das wichtigste wäre, dass ich dran bleibe und immer auch zeichne, wenn ich lese oder höre.
Ich habe in dieser Woche ein bei eBay gekauftes Buch erhalten, dass mir erneut die Idee mit Text und Bild vor Augen hält: > «Ja, ich komme bald» - Die Endzeit im Licht der Apokalypse, 1. Die Offenbarung des Johannes mit den sieben mal sieben Bildern der Bamberger Apokalypse 2. Hans Urs von Baltasar: die Apokalypse; Kathol. Bibelanstalt Stuttgart 1980. Ein wunderbares Buch mit einer perfekten Reproduktion der Bamberger Apokalypse. Es ist mir Ansporn, an einer Illustration der Apokalypse festzuhalten. Ich habe es gleich aufs Netz gebracht.

 

Montag, 20. März 2006

Die persönliche Apokalypse

Gestern Sonntag habe ich (im Kino KinoK) im Gespräch mit einem Mann um die 40 von meinem Thema, der Apokalypse erzählt. Da holt er ein Foto aus seiner Tasche. Darauf ist er selber, neben seiner toten Partnerin. Sie ist im Januar an Krebs gestorben. Es ging plötzlich schnell. Er hat sie über drei Monate betreut, gepflegt und mit ihr gerungen. «Das war meine persönliche Apokalypse», sagte er. Gott war für sie ein wichtiges Thema. Sie glaubte, aber konnte es doch nicht recht spüren. Sie hat gerungen um Gott, um eine Erfahrung, eine Gewissheit. Sie hat sie bis zuletzt nicht erhalten. Doch dann im Tod, da war es klar. Vier Tage hat der Mann seine Partnerin daheim aufgebart. Da gab es Besuche, Gäste, Gespräche. Für ihn aber war an der Gestalt der Verstorbenen offensichtlich, dass sie das ersehnte Ziel, den Frieden mit Gott gefunden hat. Er fand nur schwer Worte. Es war etwas mit dem Leichnam, das ihm diese Gewissheit gab.

Das Stichwort «persönliche Apokalypse» bleibt bei mir hängen. Jeder Mensch ist eine ganze Welt; die Apokalypse handelt vom Untergang, von der Verwandlung der Welt. Alle müssen wir irgendwann durch diese Verwandlung. Sie gehört zur Natur des Lebens, doch die Art und Weise, wie diese Verwandlung sich vollzieht, geht über die Natur hinaus, handelt von dem Verhältnis von Himmel und Erde, Gott und Natur.

Die Verwandlung, von der die Apokalypse im Hinblick auf den Makrokosmos handelt, wird für jeden Menschen relevant dadurch, dass er ein Mikrokosmos ist. Die Schau der Offenbarung entstammt selber der Seele eines Menschen, eines Mikrokosmos. Darum könnte man fast sagen, dass sie da ihren Anhalt, ihren Ursprung hat. Die Apokalypse ist die Schau von der Verwandlung des Menschen, aber ins Kosmische gewendet. Was mit dem Menschen geschehen wird, was sich an ihm vollziehen kann, das ist auch das Schicksal des Kosmos, das ist die Geschichte der Welt. Jeder Mensche ist eine ganze Welt.

Das ergibt einen eigenen Blick, eine eigene Sichtweise auf den Text der Johannesoffenbarung. Es beginnt mit der Schau des eigenen Ur- und Zielbildes, der Schau des Menschensohns. Die sieben Gemeinden sind die in den Raum gesetzte Lebenszeit, die Phasen der Reifung und der Bewährung. Das Buch in der Hand Gottes zeigt den Lebensplan, der sich mit der Eröffnung der Siegel ausrollt: die Menschwerdung. Die Visionen der Versiegelten, der Anbetung des Lammes, der Ausmessung des Tempels, die Geburt des Kindes usw. - all diese Ganzheitsbilder sind Vorwegnahmen des Zieles, Trost- und Ermutigungsbilder unterwegs mit der Endlichkeit. Der Drache kann das Kinde nicht verschlingen, aber er kann seine Trabanten im Leben manifestieren als äussere und innere Feinde, die sich im eigenen Leben anhaften und uns verführen zu Trägheit, Egoismus, Stolz, Eigensucht, Besitzgier usw. Gegen diese eigensüchtigen Gebilde im eigenen Leben erschallen die Posaunen mit ihrem aufweckenden, alles Falsche zerberstenden Klang. Doch die Trägheit hat ihre unverbesserlichen Ausläufer, die gute Kräfte anzapfen wie Schmarotzer. Das Eigensüchtige verpanzert sich. Gegen diese Verhärtungen wehren sich die missbrauchten guten Kräfte. Sie zeigen sich als Zornschalen in den Händen der Engel, welche diese himmlische Medizin brauchen, um das Leben freizulegen, das bleiben und sich entwickeln soll.
Der Mensch stirbt nicht erst im Tod. Er stirbt langsam, ein Leben lang. Schon früh wird die Zerstörung Babylons, dieser Burg der Eitelkeiten, angekündigt. Die Klage gehört zum Leben, die Klage über den Verlust all der Schätze, welche das Leben so üppig süss zu machen scheinen. Was muss nicht alles fallen, bis der Blick frei wird für die Braut, die himmlische Seele als soziales Paradies, als Stadt des Friedens, als Ziel und Gabe alles Lebens.


Mittwoch, 22.3.06

Ein Glaubensbekenntnis

Gestern war ich (nach meiner ganz besonderen Gesangsstunde bei Franziska Schildknecht) auf Besuch bei Frank Jehle. Da er eine Radiopredigt über «Intelligent Design» gemacht hat und diese Variante der Schöpfungslehre verurteilt, soll er für den nächsten Kirchenboten dies noch etwas genauer begründen und darstellen, was dazu die Theologie als Alternativen zu bieten hat.
Wir kamen auch auf die Begriffe Spiritualität und Esoterik zu reden, was sie unterscheide oder verbinde. Erfahrung ist ein Schlüsselwort, aber Frank hat Bedenken gegen diese Spielarten der religiösen Erfahrung. Wie nachhaltig sind sie, wie mündig, freimachend, ...
Da hole ich aus zu einem eigentlichen Glaubensbekenntnis meinerseits, das ich hier nachzuzeichnen suche:

Ich glaube an den Vater, an den Seinsgrund, den ich im Denken verdanke
Ich erlebe mich im Denken als angeschlossen an den Geist. Das Denken ist eine Äusserung, eine Tätigkeit des Geistes, meines Geistes zwar, aber in diesem meinem Geist fühle ich mich in mehrfacher Hinsicht von Gott getragen, verdankt und unterstützt, ja gefördert und geführt. So aber, dass ich in alle dem Ich selber bleibe und werde, und doch auch die Komplexität der Welt darin finde, ordne und verantworte - Angesichts Gottes.
Das Wissen, im eigenen Geist als Geist unter Geistern und im grossen Geist zu leben, macht mich allzeit andächtig, offen und dankbar. Ich stehe darin in einer ununterbrochenen Kommunikation und Kommunion, einem Geben und Nehmen.
Die Erfahrung des Geistes im Denken lässt sich in zwei Richtungen vertiefen. In der Tätigkeit des Denkens werden Zusammenhänge als «Ich-Struktur» offenbar, ich erstarke in diesem Werden als Eigenperson. In der Gelassenheit des Denkens bin ich dem Ursprung des Denkens hingegeben, meditierend hin zur Grundlage des Seins.

Ich glaube an den Sohn, den Gott in der Menschwerdung, den ich im Sinn erlebe
Nun kommt das Christologische Bekenntnis: Das Wort ward Fleisch und kam in das Seine. Mein Denken ist nicht beziehungslos zur Sinnlichkeit, im Gegenteil! Alle Dinge sind aus dem Wort geworden und sind das Seine. Was für die grosse Welt gilt, ist auch für die kleine Welt, für meine Existenz, gültig. Hier wird es für mich offenbar, dass meine Kreatürlichkeit von meinem Geist angenommen werden kann, dass er in meinem Leib das Seine findet.
Die Welt der Sinneserfahrung vertieft mein Geistleben, bereichert es und stärkt mein Ichbewusstsein hinein in die Tiefen der Schöpfungen.

Im glauben an den Geist, der die Welt verwandelt (das verdanke ich die Auferstehung Christi)
Nun beginnt der Geist, wo er die Tiefen als das Seine erfährt und erkennt, an der Verwandlung der ihm anvertrauten Leiblichkeit und Lebenswelt. Ich handle im Gesetz Gottes und bin mit Gottes Geist verantwortlich in der Welt tätig. Ich regiere mit …

Ich merke auf und ahne die Tiefe der rosenkreuzerischen Deutung der Trinität:

Aus dem Göttlichen weset die Menschheit
In Christus wird Leben der Tod
In des Geistes Weltgedanken erwachet die Seele.

Donnerstag, 30. März 2006

Religion nicht einsperren innerhalb der Grenzen der Vernunft

Die NZZ bringt im Feuilleton eine Serie von Antworten auf die Frage, was eine gute Religon ist. Die ersten beiden Antworten haben mich zu folgender Stellungnahme gereizt. Doch der Brief ist für die NZZ-Redaktion wohl zu lange, aber auch schwer einschätzbar in seiner Aussage. Bin ich am Schluss zu lehrhaft? zu schwärmerisch? Benutze ich die Kritik, um meine Lieblingsideen breit zu schlagen? Ich kann es akzeptieren, dass der Brief nicht veröffentlicht wird. Aber ich sehe auch, dass die Idee von der religiös fundierten Aufklärung schwer zu vermitteln ist. Stehe ich damit so quer zur Landschaft? Hier der Leserbrief:

Was ist gute Religion?
(NZZ, Feuilleton, 23. und 27. März 2006)
Die offenbaren Gefährdungspotentiale des Religiösen nimmt die NZZ zum Anlass, nach der guten Religion zu fragen. Die Antworten von Friedrich Wilhelm Graf (23.3.) und Wolfgang Huber (27.3.) erregten meinen Widerspruch. Ihre Voten habe ich, etwas überspitzt, so verstanden: Gut ist eine Religion, wenn sie ihre Absolutheitsansprüche und Gefahrenpotentiale durch Aufklärung in den Griff bekommt und wenn sie das Ideal der mündigen, aufgeklärten Person auch religiös glaubhaft machen kann.
Nun gehen aber Religionen mit ihren Ansprüchen und Verheissungen weit über das hinaus, was Aufklärung, Vernunft und Wissenschaft vorläufig leisten. Das Christentum kündet nicht nur von Freiheit und Mündigkeit der Person, sondern auch von Gott als Schöpfer dieser Welt, von Lohn und Strafe hier und im Jenseits, von Heilsgewissheit, von einem Auferstehungsleib, vom kommenden Reich Gottes, das innerweltliche Sicherheiten relativiert usw. Was bleibt von all dem in der guten Religion übrig, wenn zusammen mit dem «Vorwissenschaftlichen» auch das beschnitten wird, was ihre Kraft ausmacht? Es entsteht eine Religion für das Feuilleton der NZZ, aber keine, mit der Kirche zu machen ist.
In der ganzen Thematik geht es um die Balance zwischen Vernunft und Glaube. Die säkulare Vernunft ist legitimiert, den Religionen Noten zu verteilen und sie Anstand zu lehren, so wie der Glaube dazu bestimmt ist, die Vernunft an ihre Grenzen oder Entwicklungsmöglichkeiten zu erinnern. Wenn aber die Vernunft dem Glauben seine Flügel stutzen will, reizt sie damit die Fundamentalisten aller Couleur und bestätigt sie darin, dass Aufklärung und Moderne die Tiefendimensionen der Religion einebnet. Eine solche Verflachung der Religion finde ich auch im Beitrag von Wolfgang Huber, wenn er Schleiermachers «Sinn und Geschmack für das Unendliche» einseitig als Sinn und Geschmack für Mündigkeit und Freiheit deutet.
Ich befürworte das säkulare, aufgeklärte Fundament der Moderne. Eine gute Religion soll darauf bauen, aber im Bewusstsein, dass es selber von noch elementareren Fundamenten getragen ist. Das geistige Fundament der Moderne: «cogito, ergo sum» hat der romantische Philosoph Franz von Baader gut paulinisch (1. Kor. 13,12) vertieft mit dem Satz: «cogitor, ergo cogito, ergo sum» (Ich bin erkannt, also erkenne ich, also bin ich). Für eine religiöse Begründung der Aufklärung war die Zeit nicht reif. Ob, wann und wie dieses «Zeitalter des Geistes» kommen wird, wissen wir nicht. Wenn wir aber weiterhin in unserer Mündigkeit und Freiheit so einseitig die Grenzen der sichtbaren Welt ausmessen und mit den materiellen Erfolgen den «Sinn und Geschmack für das Unendliche» betäuben, wird die säkulare Vernunft ihr Ansehen und ihre Vermittlerfunktion innerhalb der Religionen einbüssen. Tragen wir darum Sorge zum offenen Projekt Aufklärung, damit wir uns nicht in noch weit grösserem Masse mit Gefahrenpotentialen der Religionen auseinander setzten müssen. Nicht als eingrenzende Polizistin, sondern als aufschliessende Exegetin ist die Vernunft für die Religion eine altbekannte und geliebte Braut, bei Salomon auch Weisheit und Gespielin Gottes (Sprüche 8).
Andreas Schwendener, St.Gallen

 

 

 
 
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