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Osternachtfeier der syrisch-aramäischen Gemeinde der Ostschweiz am 7./8. April 2007,
kath. Kirche Bruggen, St.Gallen

Arbeitsjournal zur Johannesoffenbarung: Ostern 2007 bis ....

Ostersonntag, 9. April 2007

Lebensrückblick

Ein Monat ist vergangen seit dem letzten Eintrag auf meiner Internetplattform zur Johannesoffenbarung. Ich war mit meiner Kirchenzeitung beschäftigt (zum Thema «Am Grab»), und ich widmete mich meiner persönlichen Website, auf der ich im Moment vor allem meine «Kunst» präsentieren möchte. Bald habe ich die Ausstellungen zu den frühen Bildern abgeschlossen >>> https://www.andreas-schwendener.com/kunst/index.php. Im weiteren sollen die Zeichnungen meiner Indienreise folgen, dann Bilder aus den Jahren 1998 bis 2002 von den Kursen an der Gewerbeschule.
Auch Fotos und Texte möchte ich bei einem weiteren Anlauf dort ordnen und zugänglich machen. Dabei hilft mir diese Arbeit, einen Üerblick über das zu erhalten, was mich seit meiner Jugend beschäftigt und interessiert. Da gibt es ein paar rote Fäden, die sich durchziehen und manchmal recht klare Anzeichen geben für das, was noch werden soll. Ich hoffe, dass diese rückbllickende Arbeit mir hilft, für den zweiten und restlichen Teil meines Lebens die entscheidenden Themen zu bündeln und die vielen, oft nebeneinander hinziehenden Interessensgebiete konzentriert in diesem und jenem Projekt zusammenfliessen zu lassen. Daher muss mein Projekt «Johannesoffenbarung» sich etwas gedulden, ich komme bestimmt darauf zurück … und die Apokalypse wird mein Spezialgebeit bleiben, mitsamt den damit zusammenhängenden Projekten Pilgerreise, Zeichenen, Auslegungen, Aufführung, Rezitationen usw.

Christus ist wahrhaft auferstanden …

«Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen,
so freut sich alles, was da ist.»

Die Ostertage liessen mich erfahren, wie zentral das Verständnis der Auferstehung Christi für die Auslegung der Apokalypse ist. Wir brauchen eine Sicht auf den erhöhten Messias, welche seiner Wirkkraft für die Zukunft der Welt zumindest Raum lässt. Wir brauchen Begriffe und Vorstellungen, die seinem Kommen sehnsüchtig-schauend entgegenhoffen und so Medium seiner Gegenwart werden können. Von einer derartigen Sicht auf die Auferstehung Christi ist derzeit aber wenig zu vernehmen, weder in der Presse noch in Gottesdiensten.

Heute morgen im Ostergottesdienst in der Kirche St.Laurenzen ist Pfarrer Hansruedi Felix nach der Eingangsmusik fast gehüpft und gesprungen, um sich vor den Abendmahlstisch zu stellen und laut zur rufen: Christus ist auferstanden! Und die Gemeinde sollte antworten: Er ist wahrhaft auferstanden. Beim dritten mal kam dann ein leicht vernehmbares Echo aus der Gemeinde: Er ist wahrhaft auferstanden!
Wir haben in unseren Gemeinden, ja in unserer Zeit, weder die Tradition noch die weltanschauliche Grundlage, um diesen Ruf aus ganzem Herzen und voller Kehle zu rufen – obwohl er Ursprung und Mitte des christlichen Glaubens ist und bleiben wird.
Ich las in den letzten Tagen diesen und jenen Text zur Auferstehung Jesu und besuchte gestern zudem eine katholische und eine syrisch-aramäische Osternachtfeier (siehe Bild oben). Ich erachte die Auslegung der Osterberichte oder die Besinnung zu Ostern als etwas vom Herausfordernsten des Christentums. Dass unsere Hauszeitung, das St.Galler Tagblatt, in der Samstagsausgabe auf Seite 2 einen ganzseitigen Bericht über das Kirchenlatein gebracht hat, ohne dabei auf Ostern einzugehen, kann ich nur damit erklären, dass die Redaktion vor dem schwierigen Thema resigniert hat. Heute im Ostergottesdienst zu St.Laurenzen haben die beiden Pfarrer rund um die Kunstaktion von Hans Thommann mit dem fliegenden Kreuz allerlei liturgische Texte vorgetragen – eine intellektuelle Auseinandersetzung mit der doch alles andere als selbstverständlichen Auferstehungswirklichkeit haben sie vermieden.

Die verschiedenen Zugänge zum Ostergeschehen versuche ich folgendermasen zu gliedern:
Da war 1. der «liturgische» Zugang, wie ich ihn gestern in der katholischen Kathedrale erlebt habe. Hier gilt die Tradition, wie sie auf die Schrift zurückgeführt wird, unerschütterlich. Es werden die alten Hymnen, Bekenntnisse und Dogmen feierlich gesungen und inszeniert. Aber «man» fragt sich, was die Zelebranten (und damit auch man selber) von diesen Texten versteht und glaubt. Doch darum geht es (hier) nicht: Die Tradition hat einen Wert für sich, das wird deutlich und evident aus der Schönheit der Liturgie, der Würde des Raums, dem Alter der Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen usw. Hier ist die Gefahr, dass diese Kirche immer mehr zur Folklore wird.
Dann gibt es 2. den «rationalen, existentiellen Zugang, der auf der Basis der Aufklärung und mit dem Rüstzeug der Bibelkritik die Texte als Zeugnisse des Glaubens an den Auferstandenen rekonstruiert und dann – mangels einer Metaphysik – die Auferstehung existentiell interpretiert. Man geht aus von heutigen Erfahrungen neuen Lebens und bestärkt diese mit den poetischen Bildern der Tradition. Da wandelt sich die Auferstehungsbotschaft zum Aufstehen aus dem Leiden, zur Realisierung echter Gemeinschaft, zum Kampf für Gerechtigkeit usw. Der urchristliche Aspekt vom Sieg des Lebens über den Tod wird im Leben selbst gesucht und gefunden und gilt nicht mehr primär der Verwandlung des sterblichen Leibes in einen unvergänglichen Leid, der für die Ewigkeit bei Gott Bestand hat. Das ist eine durchaus berechtigte und sinnvolle Deutung, die dem in das Leben führenden Reich Gottes entspricht. Bei eigentlich metaphysischen Fragen, z.B. der Frage nach dem Auferstehungsleib Jesus, bleibt diese Sichtweise aber sprachlos.
Weiter fand ich Texte, vor allem aus freikirchlichem Bereich, welche 3. den neuzeitlichen Zweifel bekämpfen, ihm trotzen und die Auferstehung wieder als historische Tatsache plausibel machen wollen. Man will, wie es in der Bibel selber schon Ansätze dazu gibt, die Auferstehung gegen alle mythologischen Züge der Erzählungen als reales Wunder an jenem Ostermorgen im Jahr 33 beweisen. Benutzt man hierfür wiederum die Quellen der Schrift, so verhäddern sich diese Leute meist in kindlichen Vorstellungen – so haben mich kühne Versuche, das leere Grab zu erklären, eher belustigt als erbaut.
Die Auferstehung als historische, ja weltgeschichtliche Tatsache behauptet auch Rudolf Steiner, wobei er sogar die Evangelienberichte in vielem wörtlich nimmt. Das Blut, das vom Kreuz auf die Erde tropfte, soll die Erde real verwandelt haben. Und das Grab war leer, weil die Auferstehungsenergie den alten Leib verwandelt und materiell aufgelösst hat. Diese Aussagen sind nur verständlich und nachvollziehbar auf dem Hintergrund der ganzen Anthroposophie, welche vor allem auch eine neuzeitliche Metaphysik sein will. Ich verstehe alle Theologen und Kirchenchristen, die sich als moderne Menschen von Steiners Darlegungen befremdet finden, zumal, wenn diese von Anthroposophen vorgetragen werden wie die katholische Kirche ihre Dogmen wiederholt.

Eine Synthese: Jede dieser drei Bestrebungen, Ostern gerecht zu werden, hat ihre Berechtigung. Es gilt, alle Sichtweisen zu verbinden.«Ich glaube, dass man die Auferstehung im Gesamtkonzept der Weltentwicklung sehen und verstehen muss», schrieb ich am Samstag in mein Tagebuch. Für sich gesehen und ohne kosmologischen Hinter- und Vordergrund bleibt die Auferstehung sinnlos. «Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen, so freut sich alles, was da ist», heisst es im alten Osterlied.
Die Auferstehung Jesu wird in den Evangelien nicht als solche geschildert. Es werden Geschichten von Zeugen mit ihren Zeugnissen präsentiert: Hier soll einer schon damals aus dem Tod auferstanden sein. Für die Bibel ist somit primär wichtig, dass hier eine Vorstellung über das Leben nach dem Tod, die damals von gewissen frommen Kreisen vertreten und für das Ende der Welt vorgesehen ist, an einem speziellen Menschen, dem Messias Jesus, antizipiert (vorweggenommen) wird. Diese Tatsache soll bezeugt werden. Die Wiederbringung aller Dinge ist bei diesem Jesus Realität geworden. Er wurde getötet, aber er hat den Tod überwunden, er wurde auferweckt und erscheint den Seinen, geht ihnen voraus. Und diese Antizipation eines endzeitlichen Geschehens bei diesem Jesus hat Folgen für die Seinen, für die Gemeinde, für die Kirche, für die Geschichte vom Reich Gottes, für die Zukunft von Himmel und Erde.
Die Auferstehung Jesus kann in seiner vollen Bedeutung erst zur vollen Geltung kommen auf dem Hintergrund einer Schöpfungslehre, welche mit dem Element Tod einen dramatischen Mangel aufweist und mit dem Ausblick auf die Zukunft, welche in dieser neu geschaffenen Wirklichkeit des Auferstandenen auf die alte Schöpfung zukommt und diese prägt und sich anverwandelt. Erst so wird die zentrale Rolle des Lammes in der Apokalypse verständlich. Das Lamm ist die Hauptkraft, welche den Lauf der Welt in Gang hält und zur abfallende Bewegung eine heilsame Gegenkraft bildet.

Ich habe in diesen Tagen auch die grossen Zeitungen zum Thema Auferstehung konsultiert. Der Sonntagsblick brachte mehrere Seite über das neue Interesse an der Religion, die Sonntagszeitung hat sich kaum zu Ostern geäussert, die NZZ kam am Samstag mit einem Text zum Osterlachen von J. Wenzel, am Sonntag mit einer Meldung der Evangelischen Allianz auf die Titelseite: Nur jeder Dritte Schweizer glaube an die leibliche Auferstehung. Die Umfrage war aber durch die Frage fast fundamentalistisch vorgespurt, und die NZZ hat die Ergebnisse recht unreflektiert übernommen.

Am Ostermontag besuchte ich den Ostergottesdienst mit Frank Jehle in der Kirche St.Laurenzen. Der ehemalige Unipfarrer predigte über 1. Kor. 15, ein wunderbarer Text. Ich schrieb danach an Frank unter anderem folgendes:
«Einsam die Spitze dieses Felsens (1. Kor. 15) in der Brandung. Der Prediger in der Brandung auf einem Schiffchen, den Felsen umkreisend und beschreibend, von dieser und jener Seite, aber vor lauter Respekt wortlos im Weiterdenken, Zuflucht nehmend zum alten Ruf: Christus ist auferstanden, er ist wirklich auferstanden!
Der Gottesdienst als Ganzes habt hat mir gut getan, … Der Bibeltext, und die klare Bestimmtheit, in der er vorgetragen wurde, hat mich tief berührt. Diese Bilder aus der Natur sind wohl sehr exakt gedacht, wenn man die Analogien aus der Natur als Erkenntnisweg pflegt, wie das damals der Fall gewesen sein muss.
Vollends eingeschlagen hat bei mir ein Satz aus dem letzten Lied: «Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen, so freut sich alles, was da ist.»
Diese kosmogonische Dimension der Auferstehung hat so eine Sprengkraft, dass wir die ganze Naturgeschichte, die Evolution, unser Geschichtsverständnis neu konzipieren müssten, ...
Beim Orgelstück von Wistor hatte ich plötzlich die feste Überzeugung, dass wir für echte Theologie auch die «Rührung» als Erkenntnisquelle nutzen müssen, dass allein sie in das Mysterium der Auferstehung einlässt. Dem will ich noch weiter nachsinnen. ...
Morgen geht die Arbeit weiter …  mein letzte Gedanke zum Osterfest: Ich will den Auferstandenen vor Augen halten, mit ihm durch mein Leben gehen. So will ich ein österlicher Mensch werden – was ja ein Christ sein soll. Christus hat die Leiblichkeit assimiliert, antizipiert, aufgehoben, vollendet. Dieses Urwunder ist das Ferment der Weltgeschichte, der Sauerteig für das Reich Gottes.

Mittwoch, 18. April

Erschütterung über Morde an Christen in der Türkei

Malatya/Türkei, 18.04.2007/APD   Bei einem brutalen Überfall auf ein kleines christliches Verlagshaus in der südosttürkischen Stadt Malatya sind am 18. April drei Menschen ermordet worden. Unter den drei Männern sei auch ein Deutscher, teilte der Provinzgouverneur Halil Ibrahim Dasöz den Medien mit. Ein vierter Mann sei nach einem Sprung oder Sturz aus dem Fenster verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden. Der Verlag habe christliche Literatur und Kreuze verkauft und sei deshalb bedroht worden. 
Schockiert über die Morde an den drei Christen in der Türkei haben sich Kirchenvertreter und Politiker in Deutschland geäussert. 
Mehrere Täter drangen am 18. April in Malatya in ein Gebäude ein, in dem ein kleiner christlicher Verlag untergebracht ist. Sie fesselten ihre Opfer an Händen und Füssen und schnitten ihnen die Kehlen durch. Die Angreifer töteten einen Deutschen und zwei Türken. 
Nach Angaben des TV-Senders CNN-Turk nahm die Polizei inzwischen sechs Verdächtige fest. Mehrere Nachrichtenagenturen sprechen von vier Verdächtigen. Die Opfer waren Mitarbeiter des Zirve-Verlags, der Bibeln, Bibelteile und andere christliche Literatur sowie Devotionalien verbreitet. Der Verlag war nach Angaben seines Besitzers Hamza Özant wiederholt von türkischen Nationalisten bedroht worden. Diese werfen dem Verlag vor, Bibeln zu verteilen und damit "missionarisch" tätig zu sein. 
Der Ratsvorsitzende des Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber (Berlin), reagierte "erschüttert" auf die Bluttat: "Dass auch ein Christ aus Deutschland unter den Opfern ist, bringt uns das Geschehen besonders nahe." Anlass des grauenhaften Geschehens sei, dass der Verlag in der Osttürkei Bibeln verteile. Dieses "Wort des Lebens" anderen anzubieten, dürfe niemals Grund dafür sein, Menschen an Leib und Leben zu bedrohen. "Unser tiefes Mitgefühl und unser Gebet gilt denen, die um die Opfer trauern", so Huber.
Mit "Entsetzen" hat der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier auf den Überfall auf das christliche Verlagshaus in der Türkei reagiert. "Ich verurteile diese furchtbare Tat auf das Schärfste", erklärte er am Rande seines Besuchs in Panama. "Die Umstände dieser Tat müssen vollständig ans Licht gebracht werden", forderte Steinmeier.
 
Der menschenrechtspolitische Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im deutschen Bundestag, Volker Beck, nannte den Anschlag "erschreckend und von beispielloser Brutalität". Er forderte die islamische Geistlichkeit auf, "deutlich zu machen, dass Glaubenswechsel und Missionierung, also das Werben für den eigenen Glauben, als Teil der Glaubensfreiheit für alle Glaubensgemeinschaften gleichermassen unveräusserlicher Teil der Menschenrechte" seien. In der Türkei ist es in den vergangenen Monaten wiederholt zu Attentaten auf Christen gekommen. Im Februar 2006 erschoss ein Jugendlicher einen römisch-katholischen Priester in der Stadt Trabzon am Schwarzen Meer. Anfang dieses Jahres ermordete ein junger Nationalist den aus Malatya stammenden armenisch-türkischen Publizisten Hrant Dink.
 

Hintergrund: Christen in der Türkei
Christen bilden in der Türkei mit ihren über 70 Millionen Einwohnern, eine verschwindend geringe Minderheit. Ihre Zahl wird auf gut 100.000 geschätzt - offizielle Angaben fehlen. Die meisten gehören zur orthodoxen Glaubensrichtung. 
Mit rund 70 000 Angehörigen bildet die armenisch-orthodoxe Kirche unter Patriarch Mesrob II. die grösste Gruppe. Nur knapp 5000 Angehörige hat die griechisch-orthodoxe Gemeinschaft mit Bartholomäus I. an der Spitze. Syrisch-orthodoxe Christen gibt es ausser in Istanbul vor allem im Südosten des Landes. Ausserdem leben in der Türkei Protestanten sowie Katholiken, die dem lateinischen, chaldäischen, armenischen und syrischen Ritus angehören.
 
Der Niedergang der einst grossen christlichen Minderheiten in Anatolien begann mit der Auflösung des Osmanischen Reiches und der Gründung der Türkischen Republik 1923. Nahezu die gesamte armenische Bevölkerung wurde ein Opfer von Massendeportationen, die der Türkei den Vorwurf eines Völkermords einbrachten. Der Exodus der Griechen begann, als griechische Truppen nach dem Ersten Weltkrieg einmarschierten und den türkischen Befreiungskrieg auslösten. Nach einem Bevölkerungsaustausch, der 1923 im Friedensvertrag von Lausanne vereinbart wurde, wohnten in Istanbul noch etwa 100.000 Griechen, von denen viele in der Folgezeit auswanderten. 
Obwohl griechische und armenische Christen im Friedensvertrag von Lausanne als Minderheiten anerkannt wurden, haben Kirchen in der Türkei bis heute keinen eigenen Rechtsstatus. Seit Jahrzehnten müssen sie um ihr Eigentum kämpfen. Die Ausbildung von Priestern ist seit den 1970er Jahren verboten. Verbesserungen versprechen sich die nicht-muslimischen Minderheiten vom angestrebten EU-Beitritt der Türkei. 

Donnerstag, 30. Mai 2007

Anregungen zu meinem Pilgerbuch: Reise zu den sieben Gemeinden

Seit längerm war ich mal wieder einige Tage ausser Haus: zuerst in München zur Hochzeit von Samuel Kutter, einem ehemaligen Religionsschüler aus Basel, dann in Ainring in Bayern, nahe von Salzburg, zu Besuch beim Patenkind Ludwig Stützle. München – das ist eine Stadt! Eine Kulturstadt! Was gibt es da alles zu sehen an Kunst! Und ich war überrascht von der Sauberkeit, der Disziplin und Ordnung. Alles funktioniert reibungslos, der Verkehr wie auch die öffentlichen Betriebe, die Leute sind freundlich und weltoffen.

Meine Begegnung mit Hermann Kutter (1863-1931)
Neben den Museumsbesuchen las ich das Buch «Hermann Kutters Lebenswerk», geschrieben von dessen Sohn Hermann Kutter junior, einst Pfarrer in St.Gallen Bruggen. Anstoss für diese Lektüre war die Hochzeit von Samuel und Anja. Samuel hatte an meiner Hochzeit vor 10 Jahren eine kurze Rede, nun wollte ich auch ihm etwas präsentieren: Eine Erinnerung an seine Vorväter, vor allem den Prediger und «Propheten» Hermann Kutter (1863-1931).  
Kutter war während seines ganzen Berufsleben Pfarrer: Prediger und religiöser Schriftsteller aus Leidenschaft. 1887 wurde er Pfarrer in Vinelz, 1898 kam er an die Kirche Neumünster in Zürich, wo er bis zu seiner frühzeitigen Pensionierung 1926 blieb. Er kam wenig in der Welt herum. Seine Welt war die Lektüre der Philosophen.
Ich wusste, dass mit dem Ersten Weltkrieg auch in der Theologie ein Bruch mit der «grossen Vergangenheit», der Philosophie des 19. Jahrhunderts, stattgefunden hat. Kutter hat sich diesem Bruch gewissermassen verweigert, er versuchte das Humane, die Perlen der Aufklärung, des Idealismus und der Romantik, hinüber zu retten. Er hat das Erbe Platons in Kant, Schelling, Fichte und Hegel wieder gefunden und hat es als bedeutsam gerade auch als Stütze und Licht der christlichen Religion und Kultur erachtet. Seine Schriften bezeugen Gott, wie er sich dem Menschen erschliesst als einzig tragender und bleibender Wert. Es war die Zeit, in welcher die Grossmächte um ihre Einflussgebiete kämpften, in der um Formen der Nationen gerungen wurde, die Arbeiterschaft aufgewacht war und der Sozialismus den Herren die alten Privilegien streitig gemacht hat. Kutter war kein Wissenschaftler, er schrieb auch nicht als Theologe oder als Philosoph. Er kündete von Gottes Kommen, bewegt und begeistert, im Stil des Predigers oder gar des Propheten, der die Eitelkeit der Welt – den Mamonismus – entlarvt und auf das hindeutet, was einzig wirklich und war ist. «Ein neues Wort, herausgeboren aus der Sehnsucht nach einer Wiederbelebung der göttlichen Wirklichkeit und getragen von der Gewissheit der hereinbrechenden ewigen Realität, die heute wieder an die Tore der Welt pocht.» So charakterisierte Walter Nigg 1921 das Werk Kutters.
In der Regel ging der Autor schwanger mit der Idee zu einem neuen Buch, dann schrieb er es in einem Zug, oft in wenigen Wochen. Hier einige Titel: «Das Unmittelbare, eine Menschheitsfrage» 1902; «Sie müssen!» 1903, erschien auch in Französisch, Schwedisch, Englisch und Ungarisch); «Gerechtigkeit, ein altes Wort an die Christenheit» 1905; «Wir Pfarrer» 1907; «Die Revolution des Christentums» 1908; ... «Reden an die deutsche Nation» 1916; «Das Bilderbuch Gottes für Grosse und Klein» 1917; «Im Anfang war die Tat» 1914; «Wo ist Gott?» 1926; «Plato und wir» 1927; und vieles mehr.
Im Hintergrund Kutters stehen pietistische Anstösse aus dem Elternhaus und Besuchen in Bad Boll bei Blumhardt jun.. Das ist die eine Wurzel, wo Kutter erfahren konnte, wie Religion gelebt werden kann, wie sie Praxis mitten im Leben ist, wie der Glaube auch Feuer und Licht sein will. Die andere Wurzel ist die Philosophie. Seine Examensarbeit schrieb Kutter über den platonischen Theologen Clemens von Alexandrien. Plato blieb Zeit seines Lebens sein Lieblingsautor, er las ihn in der griechischen Originalsprache. Dazu kamen die Idealisten, dann Schelling und Franz von Baader.
Diese beiden Quellen nährten Kutter bei seiner Sicht der Welt und bei seiner Mission, die in der Bibel angekündigte Nähe Gottes seiner Zeit anzukünden. Kutter hatte eine fast monistische oder pantheistische Sicht der Welt. Das Geistige und Materielle sind immer zusammen zu denken, das Göttliche wirkt in der Natur und in der Kultur - es soll die Menschen erreichen und sie in ihrem Zusammenleben neu ausrichten durch den Frieden und die Gerechtigkeit Gottes. Kutter hat die sozialen Bewegungen seiner Zeit religiös gedeutet, hat im Sozialismus und in der Arbeiterbewegung Anzeichen des kommenden Gottesreichs gesehen. Scharf ging er ins Gericht mit den alten Privilegien, mit dem «Materialismus» bei den Kapitalisten und den Sozialisten und allgemein mit der Gottvergessenheit. In immer neuen Anläufen versucht er den Menschen die Nähe Gottes, die Unmittelbarkeit, glaubhaft, ja erfahrbar zu machen. Seine Schriften sind Zeitzeugnisse und wohl kaum überzeitlich verständliche Literatur. Er sprach ganz in und zu seiner Zeit und wurde damals auch gelesen und gehört. Seine ersten Bücher erlangten mehrere Auflagen, vor allem in Deutschland.
Kutter war so ein Mitinitiator der religiös-sozialen Bewegung, er war von Anfang an mit dabei, hat sich aber später von der politischen Ausrichtung der Religiös-sozialen distanziert. Aus dem Schwung dieser weltoffenen Erweckung hat sich teils auch die dialektische Theologie Karl Barths genährt, obwohl sich diese später in einer ziemlich anders gearteten Theologie entfaltet hat.
Mit dem Durchbruch der dialektischen Theologie vor dem Zweiten Weltkrieg musste dann auch Kutters Schrifttum unzeitgemäss erscheinen. Die Theologie wollte keinen Anknüpfungspunkt mehr beim Menschen. Der Mensch und seine Kultur sollten ganz für sich als gottlos verstanden werden, als unfähig, etwas mit Gott anfangen zu können. Alles ging in dieser neuen existentialistischen Theologie von Gott aus, der in der Kirche gemäss der Schrift verkündet wird.

Meine religiöse «Schriftstellerei»
Einmal habe ich formuliert, dass ich meine Internetplattform zur Apokalypse als Übungsfeld für eine spätere Schrift betrachte. Steffen Klatt, ein guter Freund, meinte, dass meine Tagebuchnotizen von der Pilgerreise zu den sieben Gemeinden veröffentlicht werden könnte. Damit konnte ich mich nicht anfreunden, da diese Tagebucheinträge die Deutung der Apokalypse zu sporadisch und zufällig nachzeichnen. Seither schwebt mir so etwas wie ein Pilgerroman vor, bei dem auf dem Weg durch die sieben Gemeinden in Gesprächen und Handlungen die Apokalypse verhandelt, besprochen, gedeutet wird. Die Begegnung mit Hermann Kutter hat in mir dieses «Buchprojekt» wieder in Erinnerung gerufen.
Am Freitag, 25.5.07 in München notierte ich in mein Tagebuch folgende Sätze: «Kutter sagt mir: Schreibe zu Deiner Zeit, jetzt, aktuell. Kein theologisches Gezänk, sondern Worte, die hinführen zum Gottesbewusstsein im Alltag als Mensch. Denn die Menschen sind bereit, mehr als damals 1906, als er (Kutter) schrieb – die deutsche Philosophie hat das humane Anliegen zu philosophisch, zu akademisch gedacht und verbreitet – heute ist die Esoterik in die Bresche gesprungen und bereitet im Volk einen Boden, ein Gefühl für die Nähe der geistigen Welt. Diese Geistesnähe muss jetzt nur den Menschen gemäss und modern angenommen werden: Glaube an das innere Wort als Geistesgegenwart, Geistesdämmern, aus dem Tat, Ethik und Liebe strömt in Seinem Kommen.»
«… aber wo anknüpfen, wie das Wort entfalten lassen? Ich habe mich für die Apokalypse entschieden, von ihr müsste ich ausgehen. Dabei merke ich, wie ihre Bilder von dem Sprechen, was auch heute in der Welt abläuft, wenn man die Szenen geistlich deutet. Wie heute Wirklichkeit aus der Materie definiert und erfahren wird, dieser Mayawahn der Jetztzeit (bei Kutter Mamonismus genannt), das kann in Beziehung gebracht werden mit der «Hurerei», der Anbetung der Tiere oder der Macht der Hure Babylon - wenn nur die Analyse präzise und mit modernen Begriffen geschieht. Denn da hat Kutter für mein Empfinden korrekt gesehen, wenn er davon ausgeht, dass auch die Gottlosigkeit mit Gott umgeht, dass auch der Materialismus den Geist lebt, aber dabei das Beste verdreht und bestiehlt.»
Wieder daheim beschäftigt mich die Tatsache, dass ich viele Ideen habe, aber nicht den Mut zu einem Entwurf, zu einem Buch. Unterwegs mit Tara, unserm Hund, «denke ich nach über das Buch zur Apokalypse. Ich spiele mit Personen, die da auftauchen und als Pilgerreisende sich unterhalten. Doch da will immer jemand der Weise sein, der den andern darlegt, was die Sache ist … und ich weiss nicht, ob es diese Gestalt braucht oder wie das Wissen auftauchen soll. Wenn alle Reisenden auf dem Weg zu den sieben Gemeinden ihren Beitrag leisten, so werde ich doch im Hintergrund der Reflektierende sein, der Erklärer und Wortführer im Antworten und Fragen. Daher ist es ehrlicher, gleich mich selber als Autor und darin als Fragenden, Antwortenden, Vernehmender, Staunender, Begegnender ... darzustellen.» So schrieb ich gestern, 30.5., ins Tagebuch.
Ich bin kein Schriftsteller, aber ich führe seit meiner Jugend Tagebuch und bin darin geübt, meine Begegnungen, meine Erkundungen, Fragen und Antworten zu reflektieren. So meine ich, im «Ich-Stil» schreiben zu müssen, ehrlich, genau beobachtend und biographisch.
Doch lasse ich mir Zeit für dieses Buch. Oft meine ich, noch sehr viele Vorstudien zu treffen. Aber irgendwann muss man zu dem Stehen, was selber gedacht und erlebt werden kann.
Weiterhin werde ich die Frage nach der Form diese Pilgerbuches, das eine Reise zu den sieben Gemeinden beschreibt, mit mir tragen.
In den letzten Tagen habe ich manchmal auch den Impuls verspürt, einfach damit anzufangen, ausgehend von dem realen Reisebericht Nov. 05 bis Jan 06. Aber die Vermischung von Echtem und Fiktiven ist mir zuwider.
Ich müsste die Reise nochmals machen, aber bloss innerlich, von meinem Schreibtisch aus. Das ist eine Variante. Die realen Erinnerungen können da eingebaut werden.

Donnerstag, 2. August 2007

In der Schule der «Menschheitsreligion»

Es ist höchste Zeit, auf dieser Website ein Lebenszeichen von mir zu geben. Ja, die Apokalypse muss warten. Ich widme mich in diesem Sommer zum einen den Zeichnungen der Indienreise 1976-1978, zum andern dem Werk von Valentin Tomberg. Unter https://www.andreas-schwendener.com/kunst/index.php kann meine neu errichtete Ausstellung der Indienbilder angeschaut werden. Nun kann ich dann diese Skizzenbücher wieder in einer Schachtel versorgen. Sie hatten ihre Aufmerksamkeit, das erste mal seit der Reise. Ich habe so meinen Bemühungen aus jener Zeit ein Stück weit Respekt gezollt. Ich bin da echt eingetaucht in das Leben des Orients, vor allem aber auch in die religiöse Symbolik des Ostens. Die zeichnerischen Begegnungen mit dem hinduistischen und buddhistischen Erbe sind spontan und zeugen von einer gewissen echten Verarbeitung. Ja, meine Frömmigkeit soll «menschheitlich» bleiben und die ausserchristlichen Spuren der Gottessuche als Teil einer Welten und Zeiten umfassenden Bewegung zwischen Gott und den Menschen aller Zeiten sehen.
Auch heute suche ich nach einer menschheitlichen Interpretation des Christentums, welche das eine Heil vom Weltanfang bis zum Weltende am Werk sieht. Gott ist eins, wie auch seine Rettung eines ist und der Weg der Menschen durch alle Gruppen und Religionen hindurch zum einen Ziel der neuen Schöpfung.
In Valentin Tombergs Schriften (derzeit in den Meditationen über die Arcana des Tarot) finde ich den «Anonymus d'outre-tombe», einen Lehrer, der mich genau in dieses menschheitliche Denken einführt. Hier finde ich ein spirituelles Denken, das direkt ins Herz geht und die Liebe zu Gott in allem fördert. Und in diesem Lichte, christozentrisch, werden sämtliche Mysterien und Rätsel des Glaubens erörtert, der Zusammenhang des Menschen mit den Himmel, die Engel, der Ursprung und das Wesen der Schöpfung, dazu sämtliche kirchlichen Schlüsselbegriffe, die Gelübte der Mönche, die Sakramente, Bibelstellen usw. Tomberg, der Lehrer der «christlichen Hermetik», spricht die Sprache des Yoga, des Buddhismus, der orthodoxen Mönche, der Kabbalisten, der Hermetiker und Okultisten, der Anthropsophen und Magier, der Heiligen und der Propheten, der Evangelisten und Kirchenlehrer .... und alle zieht er hinein in das Licht Christi, damit sie ihre Begabungen, Erkenntnisse und Mächte dem Heiligen Werk, dem Heilsweg Gottes, widmen. Dazu ein Zitat aus der Meditation des 14. Arcand, die «Mässigkeit»:

«Ebenso verhält es sich mit dem Christentum: es ist eins und unteilbar. Man kann und darf vom sogenannten «exoterischen» Christentum nicht seine Gnosis und seine Mystik – oder das «esoterische Christentum»  – abtrennen. Das esoterische Christentum lebt völlig innerhalb des exoterischen Christentums, getrennt von ihm, existiert es nicht – und kann es nicht existieren. Die christliche Hermetik ist nur eine besondere Begabung innerhalb der allgemeinen christlichen Gemeinschaft – die Berufung zur Dimension der Tiefe. Wie es in der allgemeinen Kirche innere Berufungen zum Priestertum, zum mönchischen Leben und zur religiösen Ritterschaft gibt, ebenso gibt es eine – genauso unwiderstehliche und unwiderrufliche – innere Berufung zur Hermetik. Es ist die Berufung zum Leben im Bewusstsein der Einheit des Kultus (oder der geheiligten christlichen Magie), der Offenbarung (oder der geheiligten christlichen Mystik), ebenso wie in der Einheit des echten geistlichen Lebens der ganzen Menschheit während ihrer ganzen Geschichte, das immer christozentrisch war, ist und sein wird.
Die Hermetik ist die Berufung, die allgemeine und ewige Wahrheit des Prologs im Evangelium des hl. Johannes zu leben: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort ... Alles ist durch es geworden, und ohne es ist nichts geworden, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen ... Es war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt.» (Joh. 1)

aus «Die grossen Arcana des Tarot», Band 3, Herder 1992

Durch seine Nähe zum christlichen Erbe und zugleich durch seine universale, menschheitliche Frömmigkeit ist Tomberg derzeit für mich eine wichtige Inspirationsquelle auch im Hinblick auf das Verständnis der Apokalypse. Immer wieder bringt er auch Deutungen gewisser Bilder, so der Schlange als Zentrum der irdischen Elektrizität und Gravitation, die dem Zentrum der himmlischen Gravitation, Gott, gegenüber steht. Oder des ehernen Meers, das die ganze Natur mit der Gottheit verbindet, sie nährt, sie belebt und im Kontrast steht zum Wassser, das die Schlange (Apk. 12) gegen das Weib speit. Auch zum Gegensatz zwischen dem Turm zu Babel und dem Himmlischen Jerusalem fand ich faszinierende Deutungen. So verstehe ich diese Tomberglektüre als Vorbereitung für das Verständnis der Apokalypse. Nicht einfach Rüstzeug finde ich hier, sondern die eigene Seele wird geweitet, gestärkt und geöffnet, damit sie die Bilder der Apokalypse selbständig lesen und deuten kann. Wie Troxler will auch Tomberg nicht eine neue Philosophie bieten, sondern die Seele zum christlichen Philosophieren stärken und befähigen. Für die Anregungen bin ich sehr dankbar.

 

Sonntag, 7. Oktober 2007

Die Herausforderung – Lernen bei Tomberg

Wiederum kann ich hier nur kurz ein Stimmungsbild präsentieren zu den Fragen, die mich derzeit beschäftigen. Es geht mir weiterhin darum, mir das Rüstzeug zu holen, um über die Apokalypse angemessen denken und schreiben zu können. Dabei habe ich mich im Moment von der theologischen Literatur zur Apokalypse entfernt. Im Mittelpunkt steht die Suche (bei Valentin Tomberg) nach einer umfassenden christlichen Sicht der Weltentwicklung, welche den heutigen Denkansätzen gerecht wird und zugleich Raum gibt für die Behandlung der religiösen Urthemen (Schöpfung, Fall, Erlösung, Reich Gottes, Verwandlung der Welt usw.). Denn ohne diese umfassende Sicht wird eine Auslegung der Apokalypse, die ja eine Schau der Weltgeschichte ist, flach und leer. Ich habe irgendwie den Anspruch, die Bilder und Symbole als echte Wegzeichen und Initiationen zu beschreiben, sodass die Lektüre neue Durchblicke und Heilserfahrungen ermöglicht. Wie gross die Herausforderung ist, mache ich mir gestern bewusst, allein mit den sieben Stichworten zur Gliederung der Apokalypse (Gemeinden/Himmel – Siegel – Posaunen – Weib/Drache – Zornschalen – Babylon, sein Fall – Das himmlische Jerusalem) oder den Kennzeichen des Menschensohns, wie er Johannes erscheint (Gewand, Gürtel, Haare, Füsse, Stimme, 7 Sterne, zweischneidiges Schwert, Sonnenantlitz – Erste/Letzte, tot/lebendig, der Heilige, Wahrhaftige, Schlüssel Davids).
Ich erfahre bei meiner Tomberglektüre, wie auch in diesen Bereichen, wo es um das Ganze geht und um das Eine, Sprache und Ausdruck möglich sind, und zwar exakt geformt und gediegen in der Form. Zwar spüre ich auch bei Tomberg bisweilen Lücken, schwächere Passagen, Wiederholungen und teils Anbiederung, wo es um klassisch katholische Positionen geht. Im Ganzen erfahre ich aber seine Werke als «religiöse Klassiker», die noch Jahrhunderte ihren Wert behalten werden. Denn er ist im Gespräch mit den echten Heiligen Schriften und steht doch auch in der Neuzeit. Es ist da ein Einschlag von Oben spürbar, wie ich das schon bei Troxler gespürt habe. Dort sogar noch klarer. Troxler stand noch mehr in dieser Welt, Tomberg ist mehr ein Christusmystiker.

Gestern habe ich Tombergs Lazarustext fertig gelesen: «Lazarus – Das Wunder der Auferweckung in der Weltgeschichte.» Im Folgenden möchte ich diese Schrift kurz zusammenfassen und würdigen.

Die sieben Schöpfungstage und die sieben Wunder
In der etwas 100 Seiten umfassenden Schrift zeigt Tomberg zuerst, wie die sieben Wunder des Johannesevangeliums die Schöpfungsworte von Genesis 1 erneuern, dass quasi mit jedem dieser Wunder der in den sieben Tagen tätige Schöpferwille erneuert und mit dem Heil des Auferstandenen bestärkt wird. Die Analogien vom 7. Tag mit dem ersten Wunder, dem 6. Tag mit dem 2. Wunder usw. bis zur Analogie vom Licht des 1. Tages mit dem Licht der Auferstehung bei Lazarus – diese Analogien erscheinen mit teils gesucht, aber der in dieser Auslegung waltende Grundgedanke zündet und trifft meine Seele: Hier wird nicht einfach ein Bruch mit der alten Schöpfung vollzogen. Diese bleibt gültig in ihrer ganzen Herrlichkeit und Würde, wie sie vor dem Fall als ewige Schöpfung realisiert wurde. Diese Schöpfung ist zerbrochen, in die Vergänglichkeit von Mühsal, Leid und Tod gefallen. Wie alle Schöpfungswerke im Licht des ersten Tages enthalten waren – es heisst da «jom echad»: ein Tag, weshalb die ganze Schöpfung ein Nachtwerden hin zum Tag Gottes ist. Das Wunder der Auferweckung des Lazarus ist im selben Sinne das Wunder schlechthin, in dem alle andern Wunder enthalten sind. Und wie alle Schöpfungsworte ewig sind und wirken, so sind auch die sieben Wunder ewig wirksam, seit dem sie konkret vollbracht worden sind und als Zeichen und Kraft weiter wirken. Es wirken diese Wunder wie Regenbogenfarben der Heilung, welche vom menschgewordenen Wort, dem Licht der Welt, ausgehen. Der Logos ist Schöpfungs- und Erneuerungslicht. Durch den  Auferstandenen wirken die sieben Wunder in die Welt hinein als heilende Kraft der Liebe. So wird alles Leben durch die Liebe Gottes zurückgerufen und erneuert. Alles kann geheilt werden, alles kehrt wieder. Dabei sind die sieben Sakramente entsprechende Tore für die Gnade. Tomberg denkt sehr kirchennah. Der Organismus der Weltheilung, der in die gefallene Welt hineinwirkt, ist der Leib Christi, ist die Kirche.

Hier eine Tabelle, welche dieses Analogien zwischen Schöpfungstagen und den Wundern im Johannesevangelium zusammenstellt. Tomberg findet auch Analogien zu den sieben Saktramenten und den sieben Ich-bin-Worten Jesus.

7. Tag 6. Tag 5. Tag 4. Tag 3. Tag 2. Tag 1. Tag
Gott ruht und feiert Landtiere,
Mensch
Vögel, Fische Sonne, Mond, Sterne Erde, Pflanzen Feste des Himmels Licht
Eigendasein Gottes in Liebe zur Schöpfung als Urbild der Ehe Urbild des Menschen, horizontal, vertikal Beseelte Eigen-bewegung Weltrhythmus Zeit
Drei Urlichter
Urständigkeit
von Samen
und Wachstum
Ideales und Reales getrennt Urpolarität im Licht (Logos) eins
Wein als Zeichen der Erneuerung der Ehe Heilung als Zeichen für neuen Adam Eigen-bewegung erneuert Wirken von Ich, Vernunft und Idealen Eigenkraft wieder hergestellt Zusammen sehen von Realem und Idealem Ruf des Logos in der Inkarnation: «Komm heraus»
Weinstock Weg, Wahrheit, Leben Türe Brot Guter Hirte Licht der Welt Auferstehung, Leben
Ehe Taufe Beichte Kommunion Firmung Priesterweihe letzte Ölung
1. Wunder: Die Hochzeit zu Kana 2.Wunder: Heilung d. Sohnes 3. Wunder: Heilung des Gelähmten 4. Wunder: Speisung der 5000 5. Wunder: Wandeln auf dem Wasser 6. Wunder: Heilung des Blinden 7. Wunder: Auferweckung des Lazarus

Zur Siebenheit finde ich heute übrigens folgenden Link:
https://www.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/history/tempel/index.html

Die Auferweckung des Lazarus
Dann widmet sich Tomberg dem Wunder der Auferweckung des Lazarus in einer unübertrefflichen Darlegung der Bewusstseinsstufen: Vergessen, Schlaf, Tod und Erinnern, Erwachen, Auferstehen. Durch die exakte Beschreibung dieser allgemein menschlichen Phänomene gewinnt er ein Menschenbild, das die Begrenzungen des Menschen zeigt, aber auch seine Berufung zum Erinnern, Aufwachen und Auferstehen über die Zeitzyklen hinweg. Auch der Unterschied zu den asiatischen Religionen kommt da klar hervor. Buddha, der Erwachte, lehrte den Weg des Aufwachens als Anstrengung des Menschen, Christus, der Auferstandene, vollzieht das Wunder der Auferweckung und wird selber zum Ferment, das die Auferstehung aller Menschen und der alten Schöpfung in die Wege leitet. Er wird Weg, Wahrheit und Leben. Seine Auferstehung wie auch alle seine Wunder sind ewige Gegenwart. Von da aus geht Tomberg zum dritten Teil seiner Schrift: Das Lazaruswunder in der Geistesgeschichte der Menschheit.

Das Christentum als Auferstehungsvorgang in der Geistesgeschichte der Menschheit
Die Menschheitsgeschichte ist geprägt von dem Ringen um die drei Versuchungen, die Jesus exemplarisch in der Wüste durchgemacht und bestanden hat. Diesen drei Versuchungen sind die drei Gelübte entgegengesetzt. Diese geben die Kraft, die Versuchungen ins Heil zu wenden. Die Versuchung zur Macht (Alle Reich der Welt) wird durch Gehorsam, das Hören in die Geistwelt, überwunden. Die Versuchung, sich vom instiktiven Kräften des Unbewussten leiten zu lassen und die Vernunft des Ich auszuschalen (das Springen von der Zinne des Tempels), wird durch die Kraft der Keuschheit, dem Entsagen jeglichen Rausches, überwunden. Und der Verlockung zum Materialismus (Steine in Brot verwandeln) wird mit der Haltung der Armut, der geistlichen Offenheit für den Reichtum von Oben, überwunden. Es ist originell und gewagt, diese biblischen Versuchungen wie auch die mönchischen Gelübte zu den Grundkräften im Ringen der Menschheit zu machen, aber die ausgeführten Beispiele und Konkretionen wirken überzeugend. Da ist eine Tendenz zur Degeneration, wenn die Erneuerungskräfte der Auferstehung, des Geistes, nicht mehr zur Geltung kommen. Doch zu allen Zeiten gibt es wieder eine Regeneration, so durch die frühen Konzile, dann durch die Meditaitons- und Verinnerlichungstendenz der Orden, usw. Solche Impulse kennen alle Religionen (Avatar, Buddha, Imam). Auch wird das Alte im Christentum wieder neu geboren, so die Philosophie in der Scholastik und das Erbe der Antike in der Renaissance.
Es geht in der künftigen Weltgeschichte darum, dass die Menschen offen sind für das Wunderwirkten des Christentums. Denn das Christentum ist Wunder schlechthin, indem es die Auferstehung in die Welt bringt, universell und global. Tomberg sorgt sich über die Anpassung der Kirche an die Welt, welche die Türen zur moralischen Weltordnung verschliesset. Im Amt, in der Funktion und der Person des Papstes sieht er eine Hoffnung und Aufgabe, dass die Quellen des Heils wieder fliessen.

Mittwoch, 24. Oktober

Eine objektive Christologie?

Im Hinblick auf die Weihnachtsnummer des Kirchenboten zum Thema «Geburt» lese ich im Buch «Die Geburt Jesus, Geschichte und Legende» von Geza Vermes, das ich bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt bestellt habe.
Der Autor ist ungarischer Jude. Er beschreibt im Vorwort, wie seine Familie das Fest in Ungarn fast wie die Christen gefeiert habe, und wie heute vieles davon verloren gegangen ist. Die schöne Geburtsgeschichte wird dann aber in allen Einzelheiten zerlegt und mit einem enormen Wissen relativiert. Der nun in England lebende Autor zitiert bekannte Theologen aus England von katholischer und evangelischer Seite zum Thema «Jungfrauengeburt», und schildert dabei rührend deren Dilemma, zwischen Wissenschaftlichkeit und Orthodoxie kompromishafte und dann doch angepasste Positionen zu vertreten.
Was ich schon im Theologiestudium aufgenommen habe, wird bei Vermes in aller Klarheit und schonungslos, wenn auch mit tiefem Verständnis für das Anliegen, ausgebreitet: dass es sich hier um Legenden handelt, welche die Gottessohnschaft beglaubigen sollen, nicht böswillige Täuschung, aber Verkündigung für das Volk der Heiden, welchen in solchen Bildern mit historischem Anstrich die Mission Jesus verständlich gemacht werden soll.
Die Gedankengänge des Autors sind so nahe an der historischen Religiosität, an theologischen Interessen und philologischen und literarischen Beobachtungen, dass sie schlichtweg überzeugen und einleuchten.
Zuerst fragte ich mich noch: Was beschäftigt sich ein Jude mit diesen Geburtsgeschichten? Doch der Autor soll auch den Prozess Jesu ähnlich behandelt haben. Da schreibt ein leidenschaftlicher Forscher, gewandt in den Wissenschaften und mit einem offenen, europäisch geprägten Sinn für Kultur und Religion. Wieder dieses Phänomen, dass Juden ihre Umwelt weltmännisch deuten und interpretieren, so dass sie damit allgemeinen Anspruch erheben können.
Natürlich vermisse ich die esoterische, die gnostische Sicht. Aber ich sehe auch die Berechtigung dieser Bibelkritik.

Auf meinem Spaziergang mit Hündin Tara muss ich mir selber bekennen, dass die Geburt Jesus nicht wundersam ohne menschlichen Vater geschehen ist. Denn nach der Lektüre von Tomberg habe ich kürzlich erneut daran geglaubt. Nun aber sah ich den Zwang, der von der Tradition ausgeht, der selbst Steiner, Tomberg und viele grosse Denker dazu gebracht hat, die jungfräuliche Geburt Jesu mit allerlei wundersamen Interpretationen als irdisches Faktuem zu retten.
Heute dachte ich: Nein! Sind wir doch aufgeklärt, stehen wir zu unserer Moderne! Die Alten dachten ihre gefühlten Werte in Bilder hinein, die historisch daherkommen, aber als solche nicht mit unserer historischen Brille gelesen werden können. Wer das trotzdem tut, gelangt zu Verkrümmungen, zu Anpassungen und Orthodoxien, welche dem modernen, interreligiösen und kosmopolitischen Geist widersprechen und das heilige Projekt der Moderne beeinträchtigen. Denn das ist meine geheime und feste Überzeugung, dass im ehrlichen und exakten Denken und Forschen der Heilige Geist mehr wirken wird als in dem Nachsprechen religiöser Traditionen.
Ich sehe vor mir eine Sicht der Mission Jesu, welche durchaus den legendenhaften Charakter der Geburtgeschichten akzeptieren kann – weil in dieser Schau ein objektives Werden der Welt durch das Urbild des Menschen (und im Urbild des Menschen) zur inneren Gewissheit wird. Die Christusbotschaft muss einen globalisierbaren, objektiven Kern haben, der sogar naturwissenschaftlich entfaltet werden könnte – hätte man eine spirituelle Sicht der Natur. Und hat man diese kosmologische Sicht der Weltwerdung um des Menschen Willen, oder der Menschwerung um der Welt Willen, so stellt sich die Frage nach der Bedeutung der religiösen Lichtgestalten und der spezifischen Rolle des Jesus von Nazareth: wie die Realität und Bedeutung des Menschensohns (Titel für Jesus) für die künftige Menschheit bestimmend wird oder eine objektive Bedeutung hat. Da wird die Christologie zu einer neuen Frage, zu einem spannenden Gegenstand der Forschung.
Es geht in allen Religionen um die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Und diese Beziehung hat ihre Geschichte in und durch alle Riten, Mythen, Legenden und Historien der Menschheit. Was lässt sich da herauslesen? In allen Zeiten, Kulturen und Völkern gibt es Glanzpunkte, welche in die Geschichte dieser Beziehung einbezogen werden müssen. Dazu gehören selbst die religionskritischen Konzepte, welche Gott als Projektion des Menschen sehen, jedoch ergänzt durch jene, die den Menschen als Projektion Gottes sehen, als Hoffnungsbild des Erstegeborenen, welcher in den Zeitkreisen eine Bestätigung seiner Selbst sucht. Ebendbildlichkeit, alter und neuer Adam, die Herrschaft des Menschensohns.

Hier eine kurze Religionsgeschichte: Der moderne Mensch findet sich als Primärprodukt, aus der Natur hervor gewaschen, das sich ein Ebenbild im Himmel postuliert, von dem er selber, sein Eines und Alles, herkommt. Doch in diesem Postulieren geschieht eine Wende, so dass dieses Postulat sich als übermächtig zeigt, als tonangebend, als geheime Planung und heilige Hoffnung auf einen guten Ausgang. So wird das säkululare Wesen bekehrt.
Ich sinniere entlang einer objektiven Christologie, welche ich bei Troxler vorgedacht  und in der Anthroposophie Rudolf Steiners exemplarisch in die Moderne entfaltet fand. Nun aber muss sie neu – als lebendige Christusbeziehung – aus dem Geschehen der Zeit heraus: gesehen, beschrieben und vertreten werden.

 

1. November 2007

Der Menschensohn

Vor wenigen Tagen stellte ich auf einem Papier die Attribute des Menschensohns zusammen, so wie diese im 1. Kapitel der Johannesoffenbarung geschildert werden. Ich tat das, um mir bewusst zu machen, wie herausfordernd die  Deutung der Apokalypse ist. Auch verfertigte ich dazu zwei drei Zeichnungen. An folgenden Morgen, noch halb im Schlaf, erinnerte ich mich an die Beschreibung und meine Auseinandersetzung damit. Es gelang mir relativ leicht, ein entsprechendes inneres Bild aufzubauen. Es war gleich da mit sämtlichen Attributen.  Gerne hätte ich das innere Bild länger halten wollen, aber ich schlief entweder ein oder verlor das Bild. Ich hatte gehofft, mit diesem innern, warmen Bild Aufschlüsse über den Sinn der einzelnen Attribute zu erhalten. Denn müsste ich sie im Einzelnen deuten, so schiene es mir, als müsste ich auch etwas fabulieren. Gerne hätte ich ein sichereres gewissereres Gefühl für meine Gedanken dazu. Ich habe den Traum, zu jedem der Symbole so schreiben zu können, dass die Überlegungen dazu schlichtweg überzeugen. Wenigstens wurde mir die Auseinandersetzung Anlass, mich vertieft mit der Erscheinung des Menschensohns zu beschäftigen. Wobei mich inzwischen schon wieder die Arbeit einholt, sodass ich jetzt nur noch schnell notieren kann, was ich in den letzten Tagen dazu neues entdeckt habe. (11.10.07)

Der Menschensohn als Messiasgeheimnis
Die Traditionen rund um den «Menschensohn» scheinen auf etwas Hintergründiges im Zusammenhang mit der ganzen Heilsgeschichte zu deuten, auf eine tiefsinnige Heilsveranstaltung Gottes zur Ausführung seiner Ziele der Rettung und der Aufrichtung seiner Herrschaft. Der Menschensohn wird schon lange vor dem Leben Jesu geschaut als himmlisches Wesen in einer speziellen Funktion, welche auch mit der Urgestalt des Menschen (mit Adam) zusammenhängt. In der Verbindung mit Jesus Christus wird diese Himmelsgestalt zum Mittlerwesen bei der himmlischen Assimilation (Aufnahme in die Himmel, Assumtion) des künftigen Menschengeschlechts. Es geht also hier um die Teilhabe der Menschen an der Herrschaft des Messias, um deren Integration in den kosmischen Leib des siegreichen Prinzips, des Leibes Christi. Der Menschensohn steht quasi für die verwandelte Leiblichkeit des Volkes Gottes im Sinne des neuen Adam, darin die erlöste Menschheit aus ihrem ersten Schöpfungsextrakt wieder hergestellt wird dank der Erlösertat Jesu Christi, um zusammen mit ihm in den ursprünglichen Auftrag eingesetzt zu werden, über die Schöpfung zu herrschen. Was ich hier zaghaft andeute, müsste im Einzelnen begründet und ausgeführt werden. Was aber fest steht ist, dass es sich bei Menschensohn um eine komplexe, eher esoterische Materie handelt – gelten doch die Alttestamentlichen Visionen vom Menschensohn im Judentum als Texte nur für reife Menschen und Jesus selbst hat seine Menschensohnworte als Geheimnis mit nur wenigen seiner engsten Schüler geteilt. (13.10.07) Dazu passt auch, was der reformierte Theologe Oscar Cullmann in seinem Kapitel über den Menschensohn (in «Die Christologie des Neuen Testaments, 1957) am Schluss notiert:
«Noch wichtiger wäre es, wenn ein moderner Dogmatiker es einmal unternähme, eine Christologie ganz auf  dem neutestamentlichen Gedanken des Menschensohns aufzubauen. Dies hätte nicht nur den Vorteil, dass eine solche Christologie ganz am Neuen Testament orientiert wäre und auf Jesus Selbstbezeichnung zurückginge, sondern darüber hinaus würde das im Grunde logisch unlösbare Problem des Verhältnisses der beiden Naturen in Christus auf eine Ebene verlegt, wo die Lösung sichtbar wird: der präexistente Menschensohn, der im Uranfang schon bei Gott ist, mit ihm als sein Ebenbild gegeben ist, ist seinem Wesen nach schon göttlicher Mensch, so dass die ganze mühsame Diskussion, wie sie die frühen christologischen Kämpfe beherrschte, eigentlich überflüssig wird.» (1.11.07)

Die obigen Zeilen sind inzwischen der Anfang zu einem längeren Text über den Menschensohn im AT, bei Jesus, bei Paulus, in der Apokalypse. Dieser Text soll dann unter der Naviatation «Himmel» publiziert werden. Hierfür lese ich in Oscar Cullmanns «Christologie des neuen Testaments» aufmerksam das Kapitel über den Titel «Menschensohn».
Heute habe ich auch den Wikipediaartikel zum «Menschensohn» gelesen. Eine gründliche, gelehrte Abhandlung, die auch mit dem Problem der Länge kämpft. Sobald man genau sein will, verliert man sich im Zitieren, Nachweisen, Begründen, und verliert die religiöse Dimension, den aktuellen Bezug zu dem, was der Menschensohn für uns heute sein kann.
In diesem Sinne dürfte mein Text durchaus weniger gelehrt daherkommen, aber doch korrekt und verständlich. Ich möchte die Quellen so behandeln, dass sie vor allem in die Gegenwart sprechen, auch wenn ich weiss, dass ich damit eine eigene Schau der Sache verfolge und begründen will. Doch ich erachte es als legitim, die religiösen Texte im eigenen Glauben neu zum Leben zu bringen für die Gegenwart. In diesem Sinne will ich Schreiben auf dem Boden der Kenntnis und der historischen Exaktheit, aber auf diesem Boden soll mein Gewächs von zeitgemässem Suchen und Finden Zeugnis ablegen. Denn es geht mir nicht um irgendwelche Spekulationen im Ausgang der Antike, sondern um den Ursprung, das Wesen und das Ziel der Schöpfung und des Menschen. Hierin, im Anklang an Jesu Wirken als Menschensohn, möchte ich schreibend und erkennend kreativ sein. 1.11.07

 

 

 

 

 

 

 
 
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