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Kathedrale in Toledo, Spanien, Seitenaltar mit Lamm

Arbeitsjournal 2009/2010


Dienstag, 10. März 2009

«Was die Welt im innersten zusammenhält» – Wege zum Ursprung der Schöpfung

2009 ist «Darvinjahr». Es wird viel zu Darwin und der natürlichen Entstehung der Arten publiziert. Auch die von mir organisierte Vortragsreihe im Februar 2009 beschäftigte sich mit Fragen der Evolution. Unter dem Titel «Das Universum und die Evolution als Schöpfung verstehen», versuchten die Referenten von ihrem Fachgebiet aus Brücken zum Glauben, zu Gott, zu schlagen.
In den letzten Tagen lese ich im Buch «Gott und die Wissenschaft», ein Gespräch zwischen den Brüdern Grickka und Igor Bogdanov und dem Philosophen und Bergsonschüler Jean Guitton.

Das Ergebnis meiner Auseinandersetzung mit Darwin findet sich zum Teil im Kirchenboten 9/2009. Im Editorial versuche ich so verständlich wie möglich das Dilemma und die grosse Aufgabe zu beschreiben.


Sonntag, 22. November 2009

Von Sternen und Galaxien

Wieder holt mich das Thema Schöpfung ein – jetzt in Zusammenhang mit Kirchenboteausgabe 12/2009 zum Thema Sterne. Als Titelbild wähle ich eine Galaxie, auf Seite 2 erläutert mit folgendem Text neben dem Bild:

galaxie «Fast alle Sterne finden sich in Galaxien. Galaxien bestehen aus einigen Millionen bis zu Hunderten von Milliarden Sternen und sind ihrerseits in Galaxienhaufen angeordnet. Nach Schätzungen der Astronomen gibt es im gesamten sichtbaren Universum etwa 100 Milliarden solcher Galaxien mit insgesamt etwa 70 Trilliarden (7 x 10 hoch 22) Sternen.
Das Titelbild zeigt eine entfernte Galaxie, aufgenommen mit dem NASA Hubble Space Telescop.

Das Thema treibt mich um, auch im Zusammenhang mit einem Vortrag von Hubertus Halbfass, der den Schöpfer meint ablehnen zu können. Ich schreibe einen kritischen Text, der eine grosse Leserbriefaktion auslösst. >>> mehr
Im Ringen um das Thema schrieb ich an eine Autorin:

Doch jetzt, wo ich etwas Distanz habe zu meinen Studien über den Urknall und die Sterne, realisiere ich, dass wohl das, was die Welt im innersten zusammenhält, etwas ganz anderes ist, als das, was diese Naturwissenschaftler suchen. Ich spüre sehr klar, dass die für uns wichtigsten Kräfte und Mächte in unserm Zusammenleben spielen. Dieses ganze Universum ist Bedingung, Vorarbeit, Zubereitung für den eigentlichen Kampf, die eigentliche Liebesgeschichte, wo wir einander Sterne werden und zu Seinem Stern uns wandeln.
Man kann anbetracht der Unendlichkeiten des Alls sagen: nehmen wir uns nicht so ernst: Was wir auf diesem kleinen Planeten, hier in diesem Dorf oder Haus und Leib tun - was hat das zu bedeuten für das All? – Oh, Mensch, mach Dich nicht zu gering! Könnten wir es klarer sehen, wie jede unserer Handlung, jeder Gedanken unendliches Gewicht hat. Wir handeln frei! Das ist die Unermesslichkeit, das Gewaltigste, energiereicher als Atomkraft. - Und was für Anstrengungen hat die Gottheit unternommen, uns diese Möglichkeit zu errichten! Einen Kosmos, eine Evolution, eine Menschwerdung. ... Ich glaube, dass in unserer Freiheit, unterstützt von den Himmlischen, aber auch gehalten von dem, was Trennung ermöglich und Freiheit bedingt, die grosse Herausforderung, das Wesen der Schöpfung und aller Sterne liegt. … (aus einem Brief an Lotti im Zusammenhang mit dem Kirchenboten 12/2009 über Sterne)


Sonntag, 11. April 2010

Von der grossen Gefangenschaft

Immer mal wie streift mich eine Ahnung über den geistigen Zustand unserer modernen Welt. Ich trete dann wie für einen Moment zurück und fühle die grosse Gefangenschaft, in welche wir uns immer weiter befördern. Es ist nicht einfach nur die Konsumwelt und die Illusion, durch Besitz und Luststeigerung das Leben zu finden. Dahinter verbirgt sich eine tiefere Täuschung, ein noch viel gewaltigerer Kampf um den Menschen. Ich sehe den Verlust des Geistes mit all dem, was er uns bringen will für die Heilung der Schöpfung. Und dabei denke ich auch nicht primär daran, dass die Religionen und Konfessionen einen schweren Stand haben mit ihrer Verkündigung. Der Geist gehört nämlich nicht den religiösen Institutionen, sondern dem Menschen und allen Angelegenheiten, die mit dem menschlichen Leben zusammenhängen.
Der Geist ist vertrieben aus der Wissenschaft und allen theoretischen und praktischen Aufgaben des Wissens. Der Umgang mit der Erde, den Pflanzen, den Tieren, den Menschen und Völkern, ja selbst mit dem Himmel wird geistlos, materialistisch.
Der Geist überlebt in Versatzstücken der Sprache – ist sie doch sein Zeugnis. Und der Geist lebt weiter in den verkannten Bildungen, welche dem materialistischen Gebaren entspringen. Der Geist ist durch die Geistlosigkeit nicht einfach vernichtet oder abwesend. Doch wo er nicht in den Ihm adäquaten Formen und Bewegungen im Ich des Menschen empfangen, realisiert und verantwortet wird, bleibt er geknechtet in die unbewussten Produkte der menschlichen Zivilisation. Hier wirkt er weiter, gewissermassen in neuen Schöpfungen, aber abgetrennt vom Urgeist, vom himmlischen Ursprung und Zielpunkt.
Heute Morgen war die Sternstunde Philosophie auf SF1 Anlass, mir unsere grosse Gefangenschaft ins Bewusstsein zu bringen. Auf der Website der TV-Station finden sich folgende Bemerkungen zur Sendung:

Sternstunde Religion: Hockt Gott im Gehirn? Die Theologin Christina Aus der Au und der Neuropsychologe Peter Brugger im Gespräch mit Judith Hardegger
10.00 Uhr, Religiöse Erfahrung contra Hirngespinst (4/4)
Verschiedene Experimente und Studien aus der Hirnforschung legen nahe, dass religiöse Erfahrungen und Gottesglaube lediglich vom menschlichen Gehirn generierte Illusionen sind. «Neurotheologie» heisst die Forschungsrichtung, die dem Phänomen der Religiosität mit naturwissenschaftlichen Methoden auf die Spur kommen will. Die Reaktionen darauf könnten unterschiedlicher nicht sein. Während die einen sich in ihrer atheistischen Haltung bestätigt sehen, fühlen sich die andern zutiefst verunsichert und fürchten um das Fundament ihres Glaubens. Was ist wirklich dran an dieser Forschung? Erbringt die Neurobiologie tatsächlich den Beweis dafür, dass Gott nur als Vorstellung in unserem Bewusstsein existiert?

Ich vermisste in diesem Gespräch den Rekurs auf das philosophische Nachdenken. Und einmal mehr wurde mir bewusst, dass wir ein ganzheitliches Menschenbild brauchen, auch und gerade für die Wissenschaft. Wo der Menschen nicht gesehen wird als Einheit aus Geist, Seele, Leib und Körper, da bleiben all die spannenden Detailfragen über Gott, über ein Leben nach dem Tod, über Vererbung, über Schicksal oder Moral flach und eindimensional. Dieses Starren auf Gehirnteile und deren Nervenströme, um darin den Menschen in seinen sozialen oder religiösen Äusserungen zu verstehen, ist von solcher Blindheit für den Geist begleitet, dass es mich schmerzt. Die Leute stellen Messkonstellationen her, beobachten, urteilen und deuten … und fühlen sich in keiner Weise berufen, auch das Mittel ihres Tuns, ihre eigene Zweckrationalität, ihr Denken und Kommunizieren zu reflektieren.
Da drängt es mich hin zu meinen alten Lehrern, welche das Gewahren des Geistes in allem Denken, Sprechen, Organisieren und Verstehen lehrten. Ich werde zu meinem Lehrer I.P.V. Troxler zurückkehrten und sein Anliegen einer philosophischen Anthropologie als Grundwissenschaft der Universität wieder aufnehmen. Ich glaube, dass hier der Kampf um den Menschen, um die Zukunft stattfindet.


8. Mai 2010

Theologie und Wissenschaft

«Ich sehe eine meiner zentralen Aufgaben in der Schriftdeutung. Ich soll weiterhin zu verstehen suchen und zusammen mit der Sprache – dem Logos – erhellende Deutungen schaffen.
Noch experimentiere ich, wenn ich die Apokalypse auslege. Ich bewege mich suchend durch die religiösen Phänomene, deute philosophisch oder predige. Ich habe mich aber zu positionieren und mir selber bewusst werden, was ich warum wie mache und schreibe. Der Synkretismus ist ein religiöses Phänomen der gegenwärtigen Religiosität, nicht aber ein Aspekt der Wissenschaft. Doch Wissenschaft steht über dem Synkretismus und überblickt und versteht ihn. Darum sollte jetzt die Wissenschaft als Zweig der Religion erkannt werden, denn im Erkennen kann die Notwendigkeit zum religiösen Synkretismus sich selber legitimieren und dabei verstehen und lenken.
Mir kommt Martin Buber in den Sinn, auch Gershom Scholem. Stets sind sie als ganze Menschen spürbar, auch da, wo sie Wissenschaft betreiben. Der Mensch ist beseelt von einem Glauben, einer letzten Beheimatung: Diese wird das Tun, die Berufsausübung, die Wissenschaft prägen, zuerst in der Auswahl, dann in der Ganzheitlichkeit der Argumentation. Ich glaube an einen erweiterten Wissenschaftsbegriff, der auf Himmelsleitern sich bewegt und «sich die goldnen Eimer» reichen lässt. Auch die Engel haben Anteil an unserm Denken und Erkennen. Sie sind ein Teil der Kraft im Innern der letzen Sinngebung, der Grundorientierung unseres inneren Wortes, das in Liebe den Sinn des Ganzen zu fassen sucht.

Auch denke ich heute in einem Orgelkonzert im Dom nach über die vier Vorträge, die ich über Christus im Februar 2011 organisieren soll. Für mich wird klar: Ich gehe christologisch vor, aber die Vorträge sollen doch wissenschaftlich sein. Sie folgen den Stichworten Präexistenz, Leben, Tod, Wiederkunft.
Der Radius der Theologie, der Einzugsbereich der Stimmen in der Wissenschaft, muss erweitert werden. Das Nachdenken über die Urmysterien soll überzeitlich und global Boden gewinnen – ausgehend von der Wissenschaft, der wissenschaftlichen Theologie. Sammeln, Aufstellen, Vergleichen, Denken, Zeigen, Erinnern, Werten, Gewichten, … Die Religion als einzelne darf nicht in sich selber kreisen, wenn sie die Offenbarung feiert. Theologie ist immer mit dem Nachdenken verbunden, freundschaftlich. Die Philsosophie muss als innerer Kern und als Medium der Religion gefunden werden.
Die Deutekunst ist immer schon selbstkritisch, pluralistisch, synkretistisch, global, überzeitlich. Darin ist sie vorwärtsströmend, stossend, wachsend. Sie muss sich selber in Beziehung sehen können zu dem letzten Grund, der Gottheit. Nur so gewinnt sie letzte Autorität. Stimmigkeit der Formulierungen stiftet die Logik, die Grammatik. Doch die Stimmigkeit der Aussage stiftet der Sinnstifter schlechthin. Es gibt im Strom des Lebens, des Forschens und Denkens eine Grundorientierung. Es ist der Strahl der Liebe Gottes, welche Jesus zu uns herab transformiert hat.»

So schrieb ich gestern in mein Tagebuch. Die Fragestellungen haben mich existentiell berührt. Es geht zum einen um die Frage, wie ich die vier Vorträge des Forums zu Christus organisiere, aber auch um die Art und Weise, wie ich hier die Apokalypse interpretiere. Beides hängt zusammen. Ich bin auf einem Weg, von dem ich nicht weiss, wohin er mich bringt und wie weit ich zu gehen vermag. Für mich steht fest, dass die wissenschaftliche Theologie sich selber in Anpassung an den Diskurs der Universität beschnitten hat. Ich nähre mich von Schulen und Meistern, die sich ausserhalb dieses Diskurses bewegen, doch Platon oder Hegel besitzen doch noch eine gewisse Autorität.
Der interreligiöse Kontext und das Gespräch mit den SeherInnen aller Zeiten bestimmen meinen Suchhorizont. Weil diese Gebiete so umfassend sind und die Kapazität eines Lebens überschreiten, muss ich noch auf eine weitere Komponente vertrauen. Dies ist der Heilige Geist, den Gott verheissen hat. Das will ich nicht als faule und bequeme Legitimation zum belibiegen Fabulieren verstehen, sondern als einen tiefen, grundlegenden Akt in allen Denkvollzügen. Es ist meine Angliederung an die Humanität, an die Menschheit, an den Menschensohn, an das, was uns alle als Menschen verbindet und zieht, was uns alle betrifft und leben lässt, was uns beruft, als Kinder Gottes im Leben vorwärts zu gehen.

 

 

 

 
 
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